BRC103 Social Media erst ab 16? Kristina Kobrow: Wer noch keine 16 ist, der darf bestimmte Filme nicht sehen, kein Auto fahren und auch kein Alkohol kaufen. Und jetzt ist die Frage, dürfen Jugendliche bald auch keine Konten mehr auf sozialen Medien eröffnen? In Australien ist das bald der Fall. Australien hat als erstes Land ein Social-Media-Verbot durchgesetzt. Und in Deutschland drängt unter anderem die Bundesfamilienministerin Karin Prien auch auf ein Verbot hin. Über die Sinnhaftigkeit eines solchen Verbots darf ich heute sprechen mit einer Kollegin und mit einem Kollegen vom Leibniz-Institut für Medienforschung I Hans-Bredow-Institut. Das ist zum einen Kira Thiel, Kommunikationswissenschaftlerin, und mit dem Medienrechtler Dr. Stephan Dreyer. Hallo ihr beiden. Stephan Dreyer und Kira Thiel: Hallo. Kristina Kobrow: In Australien sollen ab dem 10. Dezember alle unter 16 Jahren kein Konto mehr auf den sozialen Medien TikTok, Instagram, Facebook, X, Snapchat und, das ist jetzt seit Ende Juli bekannt, auch YouTube anlegen können. Stephan, warum denn nicht? Stephan Dreyer: Die australische Regierung hat den Eindruck, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Nutzung sozialer Medien und bestimmten gesundheitlichen Problemen. Und hat vor diesem Hintergrund gesagt, wir müssen etwas dagegen tun. Wir müssen die Gesundheit sicherstellen und gewährleisten, auch bei der Nutzung von sozialen Medien und hat deswegen den radikalen Schritt unternommen und ein Gesetz erlassen, was eben die Profilerstellung oder auch das Behalten dieser Profile in sozialen Medien dann verbietet für unter 16-Jährige. Kristina Kobrow: Und die Auswahl der Plattformen wirkt jetzt ja ziemlich klar. Ich habe gerade schon vorgelesen, welche Plattform das betrifft. Aber ist das auch so klar? Also zählen zum Beispiel Messenger oder auch Online-Gaming-Plattformen dann nicht als soziale Medien? Stephan Dreyer: Genau, die Australier sind da sehr konkret. Die benennen sozusagen durch den Minister die einzelnen Plattformen, die unter das Gesetz fallen und auch solche, die nicht darunter fallen sollen. Und Messaging-Dienste sind ausgenommen von der Regelung. Und das ist interessant, weil wenn wir uns Telegram oder WhatsApp anschauen, ich dann im Prinzip auch Profile und Kanäle einrichten kann, die sich an die Allgemeinheit richten. Ich habe also Funktionen, die denen von Instagram zum Beispiel oder TikTok nicht unähnlich sind. Kristina Kobrow: Kannst du nochmal erläutern, wenn dieses Gesetz jetzt umgesetzt wird, also in Kraft tritt am 10. Dezember, durchgesetzt wurde es ja im November letzten Jahres, jetzt haben alle Zeit sich zu überlegen, wie soll es denn konkret aussehen oder beziehungsweise wie soll die Umsetzung technisch eigentlich funktionieren? Was wird denn da diskutiert? Also wie soll die Umsetzung tatsächlich, wie soll das aussehen und wer ist in der Pflicht eigentlich das umzusetzen? Stephan Dreyer: Also die Diskussion läuft. Es gibt jetzt einen ersten Bericht von einer Gruppe, die sich die unterschiedlichen technischen Möglichkeiten der Altersverifikation angeschaut hat und die zu dem Schluss kommt, dass es technisch möglich ist. Nichtsdestotrotz sagen die Plattformen, wir müssen compliant sein, wir müssen Strafen zahlen, wenn wir nicht uns an das Gesetz halten. Also sagt uns bitte, wie wir es rechtssicher umsetzen können. Und da steht die Diskussion zurzeit. Es wird noch entschieden werden müssen, ob die Plattformen selbst einen gewissen Spielraum haben, wenn sie sich dabei entscheiden, mit welchen Schutzsystemen, mit welchen Altersfeststellungsverfahren sie das Gesetz umsetzen können. Es kann sein, dass es noch Bewegung gibt in Richtung von den großen Mobilplattform Anbietern, also Apple und Android, ob die möglicherweise über die App Stores dort etwas vorhalten müssen. Aber das ist noch offen und voll in der Diskussion. Kristina Kobrow: In Deutschland, das hatte ich eben am Anfang ja auch schon erwähnt, ist es unter anderem die Bundesfamilienministerin, also Karin Prien von der CDU, die sich für ein Verbot auch in Deutschland ausspricht. Und sie begründet das damit, dass sie Kinder und Jugendliche im Netz schützen möchte, nämlich vor gesundheitlichen und psychischen Schäden durch übermäßige Social-Media-Nutzung. So hat sie das begründet. Du kennst dich jetzt mit der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen bestens aus, weil du dazu forschst. Gibt es denn einen kausalen Zusammenhang in der Nutzung von Social Media und gesundheitlichen Schäden? Was sagst du dazu quasi aus deiner wissenschaftlichen Perspektive als Forscherin? Kira Thiel: Ja genau, also wenn die Frage jetzt ist, kann die Nutzung sozialer Medien Kindern und Jugendlichen schaden, dann kommt es natürlich darauf an, wie man die Frage versteht. Also wenn man fragt, kann Social Media einzelnen Jugendlichen schaden, dann würde ich sagen, ist die Antwort auf jeden Fall ja, das kann passieren. Also aus qualitativen Studien kennen wir auf jeden Fall Fälle, in denen bestimmte Aspekte der Social-Media-Nutzung mit Problemen verbunden waren. Also zum Beispiel, wenn Jugendliche einen ganz gravierenden Fall von Cybermobbing erlebt haben oder es gibt auch Jugendliche, die selbst sagen, dass Social Media ihr Selbstwertgefühl irgendwie beeinträchtigt hätte. Wenn man jetzt aber fragt, schadet das der Gruppe der Jugendlichen insgesamt, dann wird es auf jeden Fall komplizierter. Es gibt total viele Studien dazu, es gibt auch Übersichtsarbeiten, also Meta-Analysen und die finden in der Regel eher kleine und auch schwer zu deutende Zusammenhänge zwischen der Social-Media-Nutzung und dem Wohlbefinden. Das sind tendenziell schon negative Zusammenhänge, aber die sind nicht unbedingt klar kausal. Also das Leben von Jugendlichen ist super komplex, Social Media ist da nur ein Faktor unter vielen. Es gibt zum Beispiel eine Meta-Analyse, also eine Meta-Meta-Analyse, die sozusagen mehrere Meta-Analysen zusammengefasst hat. Und die hebt vor allem hervor, dass die Social-Media-Nutzung für die meisten Jugendlichen eigentlich keinen so großen Unterschied macht, weder positiv noch negativ. Aber es gibt jeweils eine kleine Gruppe, die entweder besonders profitiert oder die eher negativ beeinflusst wird. Also das heißt, nicht alle Jugendlichen sind gleich anfällig, nicht alle Jugendlichen reagieren gleich und deshalb muss man genauer hinschauen, wann, warum und bei wem Social Media eher nützt oder eher schadet. Kristina Kobrow: Kannst du nochmal erläutern, welche negativen Erfahrungen sind es denn eigentlich, die Jugendliche, wenn sie die machen, dort überhaupt machen? Also du hast gerade schon zum Beispiel erwähnt, Mangel des Selbstwertgefühls, was sich daraus ergeben kann. Aber magst du nochmal vielleicht größer erläutern, was können negative Online-Erfahrungen sein bei Jugendlichen? Kira Thiel: Ja, also erstmal würde ich vorneweg schieben, nicht alle Jugendlichen machen überhaupt Online-Erfahrungen, die sie selbst als belastend empfinden. Wir haben in der EU-Kids-Online-Studie zum Beispiel offen danach gefragt, ob Jugendliche in den vergangenen zwölf Monaten irgendwas online erlebt haben, das schlimm für sie war, das sie verstört hat, das sie belastet hat und da haben tatsächlich nur neun Prozent damals gesagt, dass sie etwas Schlimmes im Internet erlebt haben. Kristina Kobrow: Wie alt waren da die Jugendlichen? Kira Thiel: Genau, das waren neun bis siebzehn Jährige, die wir da befragt haben und es war auch eine Repräsentativbefragung. Das heißt, wir haben damit über tausend Jugendlichen befragt. Wenn man dann aber gezielt nachfragt, ob ihnen schon mal was passiert ist, was als Risiko im Diskurs aufkommt, also dass sie schon mal ungewollt sexuelle Nachrichten gesehen haben oder dass sie schon mal verletzende oder gemeine Kommentare erhalten haben, dann sind die Zahlen in der Regel deutlich höher. Also wir interpretieren das so, dass viele mit potenziellen negativen Dingen in Kontakt kommen, aber das nicht alles als super schlimm erleben. Und in meiner Forschung haben zum Beispiel Jugendliche oft gesagt, naja, das war jetzt nicht so wirklich schlimm, aber es war halt nervig. Also das sind dann so kleinere Störgefühle und Irritationen. Es gibt aber natürlich auch Erfahrungen, die für Jugendlichen sehr belastend sind und um die geht es hier ja auch. Und das betrifft in der Regel Dinge, die für Jugendliche selbst bedeutsam sind und das sind in der Altersgruppe oft Dinge, die Freundschaften betreffen, die ihren Ruf betreffen, die das Aussehen betreffen, soziale Zugehörigkeit und das ist ja, was auf Social Media auch alles eine Rolle spielt. Und wenn man jetzt mal ein Beispiel rausgreifen wollen würde, in meiner Forschung hat ein Mädchen zum Beispiel erzählt, dass sie auf TikTok ein Video hochgeladen hat über ihre chronische Erkrankung, das war ihr super wichtig, also das hatte eine sehr, sehr hohe persönliche Relevanz für sie. Und dann hat sie dazu von einem Mädchen aus ihrer Klasse was total Gemeines kommentiert bekommen und sie hat dann tagelang deswegen geweint, das hat sie dann auch nicht mehr genutzt, also die war total fertig. Kristina Kobrow: Das heißt, diesen Kommentar konnten dann ja auch alle anderen sehen, oder? Der war ja nicht privat. Kira Thiel: Ja, genau, der war unter ihrem TikTok-Video, das heißt, der war öffentlich. Genau, und dann, das ist ein Beispiel, aber natürlich gibt es auch Jugendliche, die sagen, sie fühlen sich belastet, wenn sie das scheinbar perfekte Leben von Influencerinnen oder Influencern online sehen. Aber da muss man halt sagen, was Jugendliche online sehen, ist ja auch sehr unterschiedlich. Es ist sehr unterschiedlich, wie sie auf soziale Vergleiche reagieren, ob sie dafür eher anfällig sind oder nicht. Und das ist auch der Punkt, nicht alles finden alle belastend, aber es gibt eben Dinge, die für bestimmte Jugendliche belastend sind. Kristina Kobrow: Und welche Strategien entwickeln Sie dann dagegen? Kira Thiel: Das hängt einerseits von dem Problem ab, vor dem sie stehen. Also es gibt einige Strategien, die einfach sehr problemorientiert sind. Also wenn sie online zum Beispiel von jemandem angeschrieben werden, mit dem sie nicht in Kontakt sein wollen, dann haben viele erstmal so eine Art Standard-Coping-Repertoire entwickelt. Also die blockieren, die melden, die ignorieren die Person. Da funktioniert das dann ganz gut. Bei Videos oder Inhalten, die sie nicht sehen wollen, die sie irgendwie unangenehm finden, haben sie die Möglichkeit, die Inhalte zu melden bei den Plattformen von Betreibern. Also meistens versuchen Jugendliche erstmal, das Problem selbst zu lösen. Und wenn sie dann aber sehr belastet sind oder sie alleine nicht weiterkommen, dann suchen sie sich Unterstützung. Das ist dann häufig bei Freund*innen oder Peers der Fall, aber auch bei ihren Eltern und manchmal auch bei Lehrkräften. Und Eltern sind dabei ganz besonders wichtig, weil sie, je nachdem welches Problem vorliegt, eben auch diejenigen sind, die dann mit dem Kind zur Polizei gehen können oder die mit dem Kind zur Schulleitung gehen können und das Problem weiterprozessieren sozusagen. Kristina Kobrow: Wie viel Zeit verbringen denn diese Jugendlichen eigentlich auf Social Media? Kira Thiel: Das kommt ein bisschen darauf an, welche Studien man zurate zieht. Also Studien aus Deutschland kommen je nach Altersgruppe und auch je nachdem, was sie unter Social Media alles fassen, auf unterschiedliche Werte. Aber so kurz gesagt reden wir da so von eineinhalb bis zu drei Stunden am Tag, also an Wochentagen auch weniger als jetzt am Wochenende. Viel spannender und aussagekräftiger und auch relevanter in der Debatte, würde ich jetzt aber sagen, ist, was Jugendliche eigentlich auf Social Media machen, weil das ist ja sehr unterschiedlich. Social Media bieten ja sehr, sehr viele unterschiedliche Funktionen. Die vereinen da total viele unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten und dementsprechend nutzen auch Jugendliche das auch unterschiedlich, je nachdem auch welche Apps sie zum Beispiel bevorzugen. Also Snapchat funktioniert anders als Instagram oder anders als TikTok zum Beispiel. Das heißt, manche bleiben vor allem mit Freund*innen in Kontakt, die wollen auf dem Laufenden bleiben, was die so machen. Die teilen mit denen Fotos oder Videos. Andere scrollen eher passiv durch TikTok und gucken sich da Clips an, lassen sich unterhalten, suchen nach Inspiration. Und manche nutzen es halt auch kreativ, um eigene Inhalte zu posten oder ihre Interessen zu zeigen. Manche nutzen es auch, um sich zu informieren über ihre Hobbys oder auch über das aktuelle Weltgeschehen. Von daher muss man sagen, Social Media kann sehr, sehr unterschiedlich genutzt werden. Und deswegen funktionieren Pauschalaussagen auch nicht immer so gut, wenn es um Social Media geht. Kristina Kobrow: Genau, du hast es gerade schon erwähnt. Die Nutzung oder das Nutzungsverhalten ist bei den Jugendlichen ganz, ganz unterschiedlich. Wie würdet ihr das denn jetzt aus eurer wissenschaftlichen, fachlichen Perspektive sehen, ihr beiden? Würdet ihr euch auch für so ein solches Verbot aussprechen oder haltet ihr das eigentlich nicht für gerechtfertigt? Vielleicht du nochmal, Kira, zuerst. Kira Thiel: Wir sprechen jetzt über das Verbot unter 16? Kristina Kobrow: Genau, für alle unter 16. Kira Thiel: Also ich aus meiner medienpädagogischen Perspektive würde sagen, grundsätzlich kann ich den Gedanken hinter diesem Verbot absolut nachvollziehen. Also dahinter steckt ja die gute Absicht, dass man Kinder und Jugendliche vor dieser ganzen Palette an Risiken wie Cybermobbing, Cybergrooming, Desinformation, also alles, was irgendwie auf Social Media eine Rolle spielen könnte, dass man sie davor schützen will. Und das ist auf jeden Fall gut gemeint. Ich finde es in dem Fall nicht unbedingt gut gemacht. Also mal ganz davon abgesehen, dass Kinder ja auch ein Recht auf Teilhabe haben, dazu gehören auch soziale Medien, ist so eine pauschale starre Altersgrenze im Grunde genommen eine Regulierung, die nach dem Motto „One size fits all“ funktioniert. Und in der Medienpädagogik zeigt sich, dass das eigentlich nicht unbedingt der beste Ansatz ist. Also Jugendliche entwickeln sich wirklich unterschiedlich schnell. Die sind unterschiedlich medienerfahren, bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit und haben dementsprechend auch ganz unterschiedliche Schutz- und Unterstützungsbedarfe. Also die individuellen Unterschiede, was so die Persönlichkeitsentwicklung, die Selbstkontrolle, die Vulnerabilität betrifft, das ist einfach unglaublich groß unter Jugendlichen. Das heißt, manche 14-Jährigen sind eigentlich schon sehr reflektiert und könnten auch reflektiert mit Social Media umgehen. Und manche bräuchten mit 16 eigentlich noch eine enge Begleitung. Und was ich auch nochmal wichtig zu betonen finde, ist, dass dieses Verbot ja auch die ganzen positiven Aspekte und die Chancen, die mit sozialen Medien einhergehen, völlig außer Acht lässt. Also gerade für Jugendliche, die irgendwie einer magnalisierten Gruppe angehören, ist Social Media ja auch ein Ort, an dem sie Anschluss finden können, sich repräsentiert fühlen können. Solche Erfahrungen fehlen ihnen vielleicht in ihrem direkten Umfeld. Und diese Möglichkeiten würden ja auch verloren gehen, wenn man jetzt Social Media pauschal für alle verbietet. Kristina Kobrow: Ich frage später auch nochmal nach vielleicht sinnvolleren Alternativen. Aber auch nochmal dich gefragt, Stephan, du als Medienrechtler. Wie siehst du das? Stephan Dreyer: Also ich finde, Kira hat das schön dargestellt, dass die Zahlen und Evidenzen, die wir haben in dem Bereich, nicht ganz klar sind. Und das heißt für einen Gesetzgeber dann immer, muss ich hier etwas entscheiden oder darf ich hier etwas entscheiden? Und angesichts dieser unklaren Sachlage würde ich jetzt sagen, der Gesetzgeber kann hier eine Entscheidung herbeiführen. Er muss es aber nicht, weil die Kausalitäten, die wir dafür bräuchten, eben noch nicht vorliegen. Das heißt also, es gibt einen gesetzgeberischen Spielraum, solche Entscheidungen zu treffen. Ob ein Komplettverbot für unter 16-Jährige dann aber verhältnismäßig ist, ist eine andere Frage. Auch das hat Kira schön beschrieben, wie viele positive Effekte die Nutzung für einzelne oder auch für viele Kinder und Jugendliche haben kann. Sodass man dann sagt, das Totalverbot entkoppelt sozusagen die Kinder von diesen Möglichkeiten. Es entkoppelt aber auch die Eltern von der Wahrnehmung ihrer Erziehungsrechte bei unter 16-Jährigen, die vielleicht sagen, mein Kind ist 14 und kennt sich gut aus mit dem Zeug und wir begleiten das sehr eng. Die dürfen dann auch nicht mehr entscheiden, dass das Kind ausnahmsweise sozusagen dann mit der Einwilligung der Eltern dort teilnimmt auf der Plattform. Also es geht eigentlich mit absoluten Verboten einher, dass wir in die Rechte der Kinder eingreifen, in die Rechte der Erziehenden eingreifen und natürlich auch in die Rechte der Plattformanbieter, die ja auch Grundrechtsträger sind, die an der Stelle dann ihre Angebote den unter 16-Jährigen nicht mehr machen können. Kristina Kobrow: Wie sieht es denn mit den Kindern und Jugendlichen selber aus? Also wie stehen die zu einem möglichen Verbot? Sagen die eher, oh ja, ich möchte davor geschützt werden, dann muss ich nicht mehr selber entscheiden? Oder sagen sie eben genau, nee, mir wird da wirklich etwas genommen, was ich wirklich brauche und wovon ich profitiere? Kira Thiel: Also mir ist jetzt tatsächlich keine repräsentative Studie bekannt, in der Jugendliche selbst gefragt wurden, was sie zu so einem Verbot denken. In qualitativen Studien sprechen ja die Jugendlichen, das habe ich gerade auch schon angedeutet, häufig sowohl von negativen als auch von positiven Effekten. Also sie beobachten schon negative Effekte, die Social Media bei sich selbst haben kann, also dass irgendwie der Schlaf darunter leidet oder zum Teil auch ihr Selbstbewusstsein. Sie weisen dann aber auch auf die positiven Effekte hin, dass das eben super wichtig ist, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben, um sich zu unterhalten. Das heißt, viele sehen soziale Medien insgesamt auch ein bisschen ambivalent, also als das, was es auch ist, nämlich mit positiven und negativen Seiten. Und insofern würde mich tatsächlich total interessieren, was jetzt wirklich eine repräsentative Erhebung dazu ergeben würde. Und es geht auch nicht nur darum, dass mich persönlich das interessiert, sondern ich fände das auch super wichtig, weil Kinder und Jugendliche nämlich auch das Recht haben, laut UN-Kinderrechtskonvention, dass sie bei Entscheidungen, die sie selbst betreffen, ihre Meinung äußern können und dass die auch berücksichtigt wird. Also gerade bei so einschneidenden Fragen, wie das jetzt bei Social Media der Fall ist, sollte ihre Perspektive aus meiner Sicht auf jeden Fall erhoben werden und auch systematisch erhoben werden. Idealerweise differenziert nach verschiedenen Altersgruppen und individuellen Voraussetzungen, damit dann eben auch wirklich das mit einbezogen werden kann. Wenn ich jetzt aber einen Tipp abgeben müsste, wie Jugendliche selbst zu einem Social Media-Verbot stehen, könnte ich mir vorstellen, dass viele sagen würden, dass es für ihre eigene Altersgruppe jetzt nicht unbedingt nötig ist, aber für die Jüngeren auf jeden Fall. Also das ist, was wir auch in qualitativen Interviews relativ oft hören. Wenn es um so Regulierungsfragen geht, dass Jugendliche dann gerne sagen, ja, also die Kleinen, und das ist auch unabhängig davon, wie alt sie sind, also wenn man mit 15-Jährigen spricht, dann sind es die 12-Jährigen und wenn man mit 13-Jährigen spricht, dann sind es die 10-Jährigen. Die sagen immer, ja, die Kleinen, die brauchen irgendwie Regeln, die muss man schützen. Wir selber kommen eigentlich ganz gut klar. Also so ein klassischer Third-Person-Effekt. Stephan Dreyer: Also ich glaube, es gibt jedenfalls einzelne Fragen, bei solchen Erhebungen, die auf diese Thematik so hinweisen. Und was ich da gesehen habe, entspricht dem, was Kira eben beschrieben hat, nämlich, dass die, die schon älter sind als das geplante Verbot, sagen, ja, das ist eine gute Sache, und die, die jünger sind, werden eher dann nicht gefragt. Und was wir aber insgesamt wissen, ist, dass Kinder und Jugendliche mehr Klarheit sich wünschen. Also, dass ihnen gesagt wird, zum Beispiel, Hassrede ist verboten. Beleidigung ist verboten. Und dann laufen sie aber immer wieder in diese Inhalte rein und erkennen, dass, obwohl es verboten ist, das existiert auf diesen Plattformen. Und dann werden sie natürlich unsicher und fragen sich, wenn das verboten ist, warum machen das dann so viele? Warum sehe ich das immer wieder? Und ich glaube, das ist das, was sie versuchen, da Ausdruck zu verleihen, dass sie sagen, wir brauchen eigentlich Klarheit. Wir verstehen nicht, warum was verboten ist, und das gibt es dann trotzdem. Wie kommen wir da klarer durch? Und das ist aber eine komplexe rechtliche Frage, die dahinter steht, die wir sicherlich in einem anderen BredowCast auch mal anfassen. Kristina Kobrow: Ja, gerne. Aber vielleicht da auch nochmal direkt nachgefragt. Also, wenn du sagst, die Jugendlichen wünschen sich da mehr Klarheit, von wem denn? Also, wer sollte da, sollten da jetzt die Plattformen denn aktiver werden oder sagen die, ich wünsche mir da eher von meinen Eltern eine Begleitung oder eher von Lehrern? Stephan Dreyer: Also, aus den Erhebungen im Jugendmedienschutzindex für die FSM, die wir ja auch mit dem JFF durchgeführt haben, wissen wir… Kristina Kobrow: Was ist das JFF? Stephan Dreyer: Das sind unsere forschenden Kollegen aus München, die viel im Bereich qualitative, quantitative Erhebungen bei der Mediennutzung von Kindern unterwegs sind. Und dort haben wir die Kinder neben den Eltern gefragt, von wem sie sich mehr Verantwortungsübernahme wünschen. Und da war also im Prinzip das Ergebnis erstmal, dass sie Verantwortung bei allen sehen. Also, bei Eltern, bei Lehrern, bei den Plattformen, bei der Polizei, bei dem Gesetzgeber. Die adressieren das nicht konkret an Einzelne, sondern wünschen sich, wenn wir über mehr Klarheit sprechen, wünschen sich das von allen. Die Konfusion entsteht aber eben aus dieser Diskrepanz zwischen rechtlichen Vorgaben und dem, was sie dann im Netz sehen auf den Plattformen. Warum ist das verboten? Warum passiert das jetzt hier? Und das ist, glaube ich, die Klarheit, wo die Kinder sich dann vor allen Dingen an Gesetzgeber und die Plattform richten, die das klären müssen sozusagen, damit die Kinder verstehen, dass wenn etwas verboten ist, dass es dann auch gilt. Kristina Kobrow: Kira, du hattest jetzt eben auch schon die UN-Kinderrechtskonvention genannt, die ein Recht auf Teilhabe den Kindern sichert. Stephan, auch nochmal die Frage an dich, dürfte denn eigentlich die EU eingreifen? Also wäre das verhältnismäßig? Magst du das nochmal etwas erläutern? Stephan Dreyer: Ja, also ein nationales Verbot ist vor allen Dingen schwierig mit Blick auf das bestehende Europarecht. Man spricht dort vom sogenannten Anwendungsvorrang des europäischen Rechts. Und wir haben mit dem DSA, dem Digital Services Act, einen Rechtsrahmen für Onlineplattformen auf EU-Ebene in Form einer vollharmonisierenden Verordnung. Das heißt, dass die einzelnen Mitgliedstaaten in diesem Anwendungsbereich eigentlich keine Vorschriften mehr erlassen können, die den gleichen Zweck verfolgen. Und der DSA kümmert sich auch um Jugendschutz. Und deswegen ist es eigentlich nicht mehr möglich für Deutschland jetzt ein Social-Media-Verbot aus Jugendschutzgründen in ein Gesetz zu schreiben. Das können die machen, aber wegen des Anwendungsvorrangs ist es dann nicht anwendbar. Das heißt also, dass Deutschland, es sich nach Brüssel richten müsste und dort dann dafür kämpfen, dass es dort eine Mehrheit gibt, auf EU-Ebene so ein Verbot einzuführen. Kristina Kobrow: Und dafür sprechen sich ja auch einige andere EU-Länder aus, Frankreich zum Beispiel, Griechenland zum Beispiel, Spanien. Wie schätzt du das denn ein? Also wird das eher eine Diskussion sein, dass es auch wirklich mehr in die Richtung Verbot geht oder wie ist da der Stand der Debatte? Stephan Dreyer: Die einen hast du gerade genannt, die fordern also von der EU eine Veränderung zum Beispiel des Digital Services Act mit einem Social-Media-Verbot für bestimmte Altersgruppen europaweit. Kristina Kobrow: Man muss vielleicht nochmal kurz sagen, genau, der Digital Services Act, der gilt seit 2022, glaube ich, oder? Also auch noch nicht so lange. Stephan Dreyer: Also anwendbar ist der seit Februar 2024. Also gerade mal anderthalb Jahre. Es gibt jugendschutzrechtliche Normen darin. Für die ganz großen Plattformen ist die EU-Kommission zuständig und es laufen auch Verfahren in diesem Bereich bereits gegen unterschiedliche Plattformen. Also das heißt, wir treffen auf einen europäischen Rechtsrahmen, der im Prinzip sich dieser Thematik angenommen hat, bei dem eben aber noch nicht ganz klar ist, was genau sind die Maßstäbe, was genau sind die konkreten Anforderungen, um compliant als Plattformanbieter zu sein. Was kann man verlangen und wie sieht der Europäische Gerichtshof das am Ende, wenn ein Plattformanbieter nicht damit einverstanden ist, was die Kommission fordert. Aber zurück zu diesen beiden Fronten. Also auf der einen Front Mitgliedsstaaten, die sagen, liebe EU, bitte führe so ein Social-Media-Verbot auf EU-Ebene ein. Dann brauchen die eine Mehrheit. Und zwar sowohl im Europäischen Parlament als auch im Europäischen Rat. Und die Mehrheit sehe ich derzeit nicht, weil es nämlich die andere Front gibt. Das ist die Seite, auf der auch die EU-Kommission selbst ausdrücklich steht. Die sagen, Totalverbote schließen aus. Totalverbote schaffen keine Befähigungsmöglichkeit oder verhindern Befähigungsmöglichkeiten. Und sie schließt Teilhabe aus von heranwachsenden Ansätzen in sozialen Medien. Und diese Front ist eher dafür, altersangemessene Plattformgestaltung durchzusetzen, so wie der DSA es eigentlich vorsieht. Dass man nach einer Altersfeststellung dann bestimmte Funktionen auf diesen Plattformen nicht nutzen kann. Dass man nur altersangemessene Inhalte sieht und dass die Algorithmen so funktionieren, dass zum Beispiel eine exzessive Nutzung dann nicht möglich ist bei Jüngeren. Das ist die andere Front. Die beiden werden sich absehbar weiterhin streiten oder miteinander konstruktiv diskutieren. Wir werden das beobachten können. Und ob sich dann Mehrheiten bilden, wird auch davon abhängen, wie Deutschland in dieser Diskussion teilnimmt, sobald sich die Bundesregierung hier eine Meinung gemacht hat. Kristina Kobrow: Ich würde da gerne auch nochmal eine Nachfrage stellen. Denn ich glaube, wir haben es noch gar nicht gesagt. Wir sprechen jetzt immer davon, also die Jugendlichen bis 16 Jahre. Es gibt ja aber für die Plattform auch eine Pflicht, eigentlich das Alter zu prüfen. Bis 13 darf man soziale Medien, wie zum Beispiel TikTok, wie Instagram oder sowas, man muss sich ein Konto, man kann sich ein Konto erst eröffnen, wenn man 13 ist. Was gibt es in Deutschland noch für Regelungen, die sozusagen hier schon regeln, dass eben nicht alle einfach sich ein Konto eröffnen können und machen können, was sie wollen? Stephan Dreyer: Das sind mehr so urbane Mythen, würde ich sie mal nennen, die auch in der politischen Diskussion auftauchen. Also das eine ist, dass die Plattformen selber in ihren Nutzungsbedingungen ein Mindestalter vorsehen können. Und die meisten tun das auch. In der Regel lesen wir da etwas von mindestens 13 Jahren. Nutzungsbedingungen sind Vertragsbestandteile. Das heißt, wir reden über Vertragsrecht. Das heißt, wenn jetzt ein Zwölfjähriger sich ein Account schafft, unter Vorgabe eines falschen Geburtsdatums zum Beispiel, dann ist das zunächst erstmal einfach ein Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen. Und die Plattformen können überlegen, wie sie damit umgehen. Ob sie den Account dann sperren, ob es einen Hinweis gibt oder ob sie sich überhaupt dafür interessieren, ob jemand wirklich 13 ist. Und da haben wir erst in den letzten Jahren überhaupt Veränderungen gesehen bei den Plattformen, die das dann durch Inferenzanalysen zum Beispiel herausbekommen wollen, ob jemand jünger ist als angegeben. Und dann kommen so Altersfeststellungsverfahren nachgelagert. Also diese Plattformen dürfen erst ab einem gewissen Alter benutzt werden. Das sind vertragsrechtliche Bestandteile. Die sind nicht durchsetzbar von einem Gesetzgeber sozusagen, sondern das ist zwischen den beiden Parteien. Und das andere ist die DSGVO, die Datenschutzgrundverordnung, ebenfalls europäische Verordnung. Und da gibt es einen Passus, der sagt, dass wenn personenbezogene Daten auf Basis einer Einwilligung verarbeitet werden, dass dann diese Einwilligung von jemandem erteilt werden muss, der mindestens 16 ist oder wenn sich ein Mitgliedstaat entscheidet, runter bis mindestens 13. Wenn jemand jünger ist, müssen die Eltern dann einwilligen an seiner Stelle oder an ihrer Stelle. Und daraus wird teilweise gelesen, dass eine Social-Media-Nutzung unter 16 beziehungsweise unter 13 auch datenschutzrechtlich nicht möglich ist. Und das verkennt aber den kleinen Umstand sozusagen, dass die datenschutzrechtliche Einwilligung Voraussetzung sein muss, damit dieser Artikel gilt. Und wenn man sich jetzt aber in die Datenschutzerklärung der Plattformen genauer einliest, dann muss man sagen, dass die meisten Plattformen überhaupt nicht auf Basis von Einwilligungen personenbezogene Daten verarbeiten, sondern zum Beispiel auf Basis ihrer eigenen legitimen Interessen oder auf Basis von Vertrag, so nach dem Motto, wenn du einen Vertrag mit mir schließt, dann muss ich auch deine personenbezogene Daten verarbeiten können. Oder wenn du mit deiner IP-Adresse auf meiner Plattform unterwegs bist, muss ich deine IP-Adresse verarbeiten, sonst können wir nicht zusammen arbeiten, sonst kann ich dir das Angebot nicht machen. Und das führt eben dazu, dass in vielen Fällen dieser Artikel 8 der DSGVO, um den es hier geht, gar nicht anwendbar ist. Also auch da, es gibt da so was mit Mindestalter in der Datenschutzgrundverordnung, aber ob die in jedem Fall und stets auch für die Einwilligung bei Plattformen gilt, wenn die ja keine Einwilligung brauchen, ist rechtlich, sage ich mal, unklar. Also eine datenschutzrechtlich komplizierte Frage, ob die Plattformen das überhaupt so ausgestalten können und so weiter. Jedenfalls in der Praxis, in der derzeitigen, ergibt sich daraus kein Mindestalter für die Nutzung von Social Media. Auch da können wir ein Verbot nicht draus lesen. Kristina Kobrow: Jetzt ist ja YouTube zum Beispiel eine Plattform, wo eigentlich Australien erst gesagt hat, diese Plattform fällt raus, also die soll nicht unter das Verbot fallen. Ende Juli wurde jetzt bekannt, sie soll doch unter das Verbot fallen. Man kann ja auf YouTube auch ohne ein Konto Videos anschauen und sieht auch eine, ja sozusagen eine Timeline an Vorschlägen von anderen Videos. Deswegen nochmal die Frage an dich eigentlich auch, Kira: Was machen denn, also weißt du das, was die Jugendlichen auf YouTube machen? Also ist da das Kommentieren, wichtig in dem Fall oder ist es eigentlich gar nicht entscheidend? Denn Videos anschauen kann man ja eben auch ohne Konto. Kira Thiel: Ja, das stimmt. YouTube ist dahingehend tatsächlich so ein Sonderfall, weil man die Hauptfunktion der Plattform, also das Anschauen von Videos, ja auch ohne das Konto nutzen kann. Und für viele Jugendliche ist auch das der Hauptnutzungszweck. Also kommentieren steht da jetzt nicht unbedingt im Vordergrund ihrer Nutzung. Es ist ja auch wichtig, sich zu beteiligen und vielleicht auch sowas wie digitale Teilhabe zu erleben und vielleicht auch zu üben. Und auch wenn sie jetzt irgendwie in dem Video was Problematisches sehen oder in den Kommentaren Hass oder Hetze sehen, darauf zu reagieren. Also sie können dann ja auch gar keine Gegenrede leisten. Und es ist ja auch nicht nur das Kommentieren, das dann in dem Fall wegfällt. Es gibt auch noch andere Funktionen, wie zum Beispiel dann das Video nicht liken oder disliken. Und man kann auch zumindest nur bedingt die Inhalte melden. Also man kann ohne Konto zwar eine formale rechtliche Beschwerde einlegen, aber die wirklich deutlich niedrigschwelligere Meldefunktion innerhalb der Plattform kann man ohne Konto nicht verwenden. Und das finde ich persönlich insofern problematisch, weil man Jugendlichen damit ja auch eine wichtige Handlungsoption nimmt für den Fall, dass sie etwas Schreckliches oder Belastendes sehen. Dann ist es eigentlich total wichtig, dass sie nicht das Gefühl haben, dass sie dann tatenlos zusehen müssen, sondern dass sie aktiv was dagegen tun können und sich auch so ein bisschen selbstwirksam fühlen. Und diese Möglichkeit wird ihnen aber dann genommen. Und ich finde an der Stelle wird dann auch klar, dass dieses Verbot vielleicht nicht so ganz zu Ende gedacht ist an der Stelle. Kristina Kobrow: Wie ist denn das aber, also nehmen wir mal an, es gibt dieses Verbot und dann wird der 16. Geburtstag gefeiert und auf einmal darf man alles machen und man ist vielleicht schon in der Ausbildung, man ist gar nicht mehr in der Schule oder so und jetzt hat man freie Bahn und kann sozusagen wirklich sich da austoben. Kann man dann mit 16 plötzlich kritisch reflektieren? Kira Thiel: Also grundsätzlich würde ich sagen, nur weil jemand 16 ist, heißt das nicht automatisch, dass er oder sie plötzlich kritisch reflektieren kann oder mit bestimmten Dingen plötzlich viel besser umgehen kann als mit 15. Also Medienkompetenz ist ja kein Schalter, der dann mit dem 16. Geburtstag sozusagen umgelegt wird. Das wäre natürlich schön, aber das ist ein Lernprozess und die Fähigkeit, sich verantwortungsvoll und sicher in der digitalen Welt zu bewegen, entsteht ja auch so ein bisschen Schritt für Schritt und auch dadurch, dass man jetzt pauschal den Zugang zu bestimmten digitalen Räumen komplett verwehrt, dann nimmt man ihn damit auch Lernmöglichkeiten und stattdessen wäre es viel besser, wenn man ihn natürlich schon altersgerecht und in sicher gestalteten Räumen, also Sicherheiten müssen schon gewährleistet sein, die Möglichkeit geben würde, dann diese Kompetenzen auch zu erlernen und sie dann aber auch dabei zu begleiten. Stephan Dreyer: Ich würde das sogar noch erweitern wollen. In dem Moment, in dem die Kinder und die machen sich trotzdem Accounts, was immer möglich sein wird, dann haben wir Kinder, die wissen, dass sie was Verbotenes getan haben oder tun und wenn dann solche belastenden Situationen auftauchen, dann wissen sie, meinen Eltern sage ich das nicht, ich darf das niemandem sagen, außer vielleicht Gleichaltrigen, aber dann tabuisiere ich genau an der Stelle die Unterstützungsmöglichkeiten für Erwachsene durch Eltern, die wir ja in den letzten Jahren mit viel Aufwand überhaupt erstmal in die Köpfe reingebracht haben, also dass wir sagen, Nutzung von Online-Medien ist erstmal was, was gut ist, was unterstützenswert ist, wo du immer auf deine Eltern, immer auf Erwachsene zukommen kannst, wenn es ein Problem gibt und an der Stelle fangen wir mit Verboten etwas an, was zum Gegenteil führen kann und am Ende haben wir dann natürlich, dass Kinder sich nicht mehr melden bei ihren Eltern, bei anderen Erwachsenen, weil sie wissen, dass sie das eigentlich gar nicht dürfen, was sie da getan haben. Kira Thiel: Ja, das würde ich auch nochmal unterstreichen, also wir haben das bei unserer SIKID-Studie auch schon gesehen, da haben wir qualitative Interviews mit Jugendlichen geführt zu belastenden Online-Erfahrungen und wie sie damit umgegangen sind. Und selbst da haben wir schon gesehen, dass es für einige Jugendliche ein hemmender Faktor sein kann, sich an Erwachsende zu wenden, weil sie denken, ah ok, wenn ich mich jetzt an meine Eltern wende, dann darf ich mein Handy nicht mehr benutzen, dann darf ich Snapchat nicht mehr benutzen. Von daher ist dieser Punkt, den du, Stephan, gerade aufgemacht hast, total relevant und ganz zentral, dass Jugendliche immer Wege finden, Verbote zu umgehen und in dem Wissen, dass sie etwas Verbotenes tun, sich erst recht nicht an Erwachsene wenden. Kristina Kobrow: Stephan, vielleicht aber abschließend auch nochmal die Frage an dich, wie sieht denn eine optimale Regulierung in dem Falle dann aus, wenn es dieses Verbot nicht gibt? Stephan Dreyer: Ja, ich glaube, wir müssen ein bisschen komplexer denken als mit Verboten. Wir haben es mit einer Vielzahl von Akteuren zu tun, ganz unterschiedliche Altersgruppen bei den Kindern und Jugendlichen, ganz unterschiedliche Nutzungen. Wir haben die Eltern dabei, die derzeit sagen, dass sie überfordert sind, weil es zu komplex ist. Wir haben es mit einer Menge von zivilgesellschaftlichen Akteuren zu tun, die bestimmte Agenten haben und wir haben es mit Plattformanbietern zu tun, die vor allen Dingen Wirtschaftsunternehmen sind. Und da jetzt also die goldene Mitte zu finden, halte ich für fast ausgeschlossen, aber wir müssen komplexer diskutieren. Das heißt also, wir haben vorhin als Beispiel gehört, so etwas wie Basis-Accounts einzurichten, die erstmal in ihren Funktionen beschränkt sind, die erstmal Inhalte für alle Altersgruppen anzeigen, kann ein Ansatz sein. Und wenn ich dann mehr von der Plattform möchte, vielfältigere Inhalte, Personalisierung, weitere Funktionen zum Beispiel bilaterale Kommunikation oder dergleichen, dann muss ich mein Alter einmal hinterlegen, damit die Plattform weiß, ob das altersangebracht ist, was sie mir bietet. Es bleibt, leider, möchte ich fast sagen, dabei, dass wir irgendeine Art von Alltagsfeststellung auch für diese Form des Plattformangebotes brauchen. Das heißt, auch wir Erwachsenen müssten dann irgendwie unser Alter hinterlegen, was ich nicht für optimal halte, weil es halt viel über Zugang zu Informationen und zu Kommunikation geht und da sind die Erwachsenen eigentlich diejenigen, die dort möglichst ungehindert Zugang erhalten sollten. Die Lösung dafür habe ich noch nicht gefunden, aber für altersangemessene Gestaltung von Plattformen brauchen wir an irgendeiner Stelle sozusagen dieses Alter, damit man das dann differenzierter anbieten kann. Ich finde es spannend, was jetzt gerade passiert in der Diskussion, nämlich dass es sich ausdifferenziert, also dass wir jetzt nicht mehr nur über das Verbot für unter 16-Jährige sprechen, sondern dass wir jetzt auf einmal hören, es gibt Vorschläge, Leopoldina hat das zum Beispiel in ihrem Papier gemacht, ein Verbot für unter 13-Jährige ins Gespräch bringt, von denen wir wissen, dass sie deutlich weniger und auch weniger aktiv Social Media nutzen, dass sie sagen, unter 13 ein Verbot und zwischen 13 und 15 brauchen wir dann die Zustimmung der Eltern. Das kommt mit ganz eigenen Herausforderungen, dieser Vorschlag, aber er ist ein bisschen altersdifferenzierender als dieses Totalverbot für unter 16-Jährige. Und ich hoffe, dass wir dadurch einen Impuls auch sehen in der Diskussion, dass wir ein bisschen weiter überlegen, wie können wir es eigentlich auch mit Blick auf die positiven Funktionen dieser Plattformnutzung ein bisschen komplexer machen, wenn es darum geht, gute soziale Mediennutzung zu gewährleisten. Kristina Kobrow: Dann danke ich euch beiden für eure Erläuterungen und für eure Einschätzungen und noch einen schönen Tag für euch. Kira Thiel: Tschau. Stephan Dreyer: Tschüss. Kristina Kobrow: Ist ein Social Media Verbot ab 16 eigentlich eine gute Idee oder gäbe es bessere Alternativen? Was sagt dazu die Wissenschaft? Ich durfte mit einem Wissenschaftler und einer Wissenschaftlerin sprechen, nämlich Kira Thiel und Dr. Stephan Dreyer vom HBI. Und die Studien, über die gesprochen wurde, die verlinken wir hier in den Shownotes und wer noch mehr über die Arbeit der beiden Forschenden wissen möchte oder generell über die Arbeit am HBI, der schaut am besten auf unserer Website www.leibniz-hbi.de vorbei oder folgt uns auf den Plattformen LinkedIn, BlueSky und Threads. Mein Name ist Kristina Kobrow und dies ist der BredowCast.