BredowCast92 – Gesellschaftlichen Zusammenhalt erforschen Transkript Johanna Sebauer: Bredowcast, wir erforschen was mit Medien. Ja, hallo, herzlich willkommen. Das ist wieder mal ein Bredowcast, direkt aus dem Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg mit mir, Johanna Sebauer, und heute mit Dr. Jan-Hinrik Schmidt. Herzlich willkommen. Dr. Jan Henrik Schmidt: Hallo Johanna. Wir haben schon einige Male zusammengesessen. Das letzte Mal war im März 2019. Ernsthaft, so lange ist das schon her? Johanna Sebauer: Ja, da haben wir über die Konzeptionsphase des FGZ, des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt, gesprochen, und über das soll es heute auch wieder gehen, denn das Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt geht in seine zweite Förderphase. Das heißt, wir wollen heute einen kleinen Zwischenstand machen. Wo stehen wir jetzt? Was ist in den letzten Jahren passiert seit 2020? Ihr erforscht ja den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Und ja, da reden wir heute so ein bisschen darüber, was in den letzten vier Jahren so lief und wo die Reise hingeht. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, sehr gerne. Johanna Sebauer: Jan, du forschst schon seit 2007, fast seit zwei Jahrzehnten, am HBI über digitale Kommunikation und politische Kommunikation. Und bis jetzt bist du Sprecher des Standorts Hamburg im Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, das am HBG eingegliedert ist. Super komplizierte Architektur, vielleicht erklärst du das noch mal ganz kurz, damit wir diese Zusammenhänge verstehen. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Mach ich gerne, ja. Das FGZ-Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt wurde auf Beschluss des Deutschen Bundestags 2020 gegründet. 2019 war eine einjährige Konzeptionsphase vorgeschaltet. Und nach einem etwas längeren Prozess sind insgesamt elf Standorte in ganz Deutschland ausgewählt worden, die seit 2020 gemeinsam, ortsverteilt, aber als gemeinsames Institut arbeiten. Das Bredow-Institut ist einer dieser Standorte. Die anderen sind zum Beispiel in Leipzig, an der Uni Leipzig, an der Uni Konstanz. Das Soziologische Forschungsinstitut in Göttingen ist dabei, und noch weitere, also über ganz Deutschland verteilt. Und wir arbeiten jetzt seit 2020 in einer ganzen Reihe von Projekten an den Standorten, aber auch standortübergreifend zusammen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erforschen. Klingt einfach, ist aber natürlich komplexer. Johanna Sebauer: Ich finde das mega kompliziert. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, ja, alles nicht so leicht. Ja, genau. Wir wollten nicht nur erforschen, sondern auch von Anfang an den Transfer von wissenschaftlichem Wissen mitdenken. Und zwar nicht nur, indem wir Pressemitteilungen machen und ein Buch schreiben, sondern auch umgekehrt immer überlegen, wie wir durch partizipative Forschungsformate, durch andere, auch innovative Veranstaltungsformen Wissen aus der Gesellschaft ins Institut holen oder gemeinsam Wissen vorantreiben. Das ist auch Teil unserer Gründungsmission in diesem FGZ. Also Forschung, auch Grundlagenforschung, und Transfer in einem weit verstandenen Sinne. Dieses Thema zu greifen, war und ist nicht leicht, weil Zusammenhalt als Begriff interessanterweise gar kein wissenschaftlicher Begriff ist. Man spricht in den Sozialwissenschaften eigentlich eher von Social Cohesion, von Integration. Das ist ein klassischer soziologischer Begriff, zum Beispiel der Begriff des Zusammenhalts. Johanna Sebauer: Social Cohesion heißt nicht einfach nur Zusammenhalt auf Englisch? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Nein, nein, mit dem Begriff, also wenn man in Deutschland bleibt, schwingen beim Begriff des Zusammenhalts sehr viele normative Bedeutungen mit. Es ist ein politischer Begriff. Wenn man mit dieser Brille schaut, fällt einem auf, wie oft in politischen Reden der Zusammenhalt beschworen wird. Es ist auch ein Begriff, der uns, wenn man so will, als Institut vorgegeben wurde. Wenn sich ein Institut aus der Wissenschaft heraus gegründet hätte, hätte man möglicherweise einen anderen Begriff gewählt. Das kann man auch problematisieren und reflektieren. Aber ein Teil der Arbeit, auch bei uns am Bredow-Institut und im Zusammenfinden dieser Standorte, war, sich erst mal zu überlegen, was meinen wir eigentlich als beteiligte Forscherinnen und Forscher, wenn wir von Zusammenhalt sprechen? Verstehen wir das vielleicht als Politikwissenschaftler anders als als Kommunikationswissenschaftler, und so weiter. Bei uns am Bredow-Institut ging es auch darum, dass wir diesen Begriff des Zusammenhalts bisher in unseren Projekten eigentlich nie systematisch verwendet haben. Wir haben vielleicht mal über die Integrationsrolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachgedacht. Aber das jetzt durch die Brille des Zusammenhalts zu erforschen, war für uns auch interessant, herausfordernd, und wir sind noch nicht am Ende. Aber wenn man schon mal so eines der Learnings aus diesen vier Jahren mitnehmen kann, ist, dass wir uns stärker tatsächlich auch mit diesem Zusammenhalt, seinen normativen Implikationen und seiner Tauglichkeit für wissenschaftliche Forschung auseinandergesetzt haben. Johanna Sebauer: Damals bei unserem letzten Gespräch 2019, als ihr noch in der Konzeptionsphase wart, da hast du mir erzählt, dass wir auch schon über diesen Begriff geredet haben, was er eigentlich bedeutet oder dass es schwer ist, darüber zu forschen, weil man das erst mal definieren muss, was das überhaupt bedeutet. Damals meintest du, dass heutzutage gesellschaftlicher Zusammenhalt nur noch bedingt über gemeinsame Werte oder Lebensstile funktioniert, weil unsere Gesellschaft einfach so heterogen geworden ist, dass unsere Verfassung, also das deutsche Grundgesetz, vielleicht noch als Werte-Rahmen ausreicht, auf den man sich einigen kann. Es kommt aber vor allem darauf an, dass sich der gesellschaftliche Zusammenhalt darüber definiert, wie die Gesellschaft Konflikte austrägt. Und dass Prozesse geschaffen werden müssten, demokratische Prozesse, in denen diese Konflikte stattfinden können. Würdest du sagen, diese Definition von damals, von 2019, oder diese Gedanken, die du damals hattest, würdest du heute auch noch so formulieren, oder hat sich an dieser Definition von gesellschaftlichem Zusammenhalt etwas geändert? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Nee, das klingt plausibel. Also ich würde jetzt nicht sagen, dass ich das heute komplett anders sehen würde. Ja, das passt noch. Ich würde, glaube ich, heute stärker herausheben, dass es vielleicht gar nicht um den Zusammenhalt als Zustand geht, sondern um den Prozess, in dem Zusammenhalt immer wieder gestärkt oder vielleicht auch geschwächt wird. Und uns interessiert eben die Rolle, die Kommunikation, vor allem mit den vermittelten Kommunikationen, in diesen Prozessen des Zusammenhaltens oder Nicht-Zusammenhaltens spielt. Die Bedeutung, die Mechanismen der Konfliktbeilegung oder Konfliktaustragung spielen, haben wir in den letzten vier Jahren gar nicht so systematisch untersucht. Also wir könnten jetzt auch etwas dazu sagen, aber es klingt jetzt in meinen Ohren, weil wir in der zweiten Phase, über die wir nachher vielleicht auch noch mal sprechen, tatsächlich zu diesem Konzept der gesellschaftlichen Verständigung und der gesellschaftlichen Verständigungsordnung forschen wollen. Also in welchem Rahmen finden eigentlich gesellschaftliche Verständigungsprozesse statt? Da denke ich, werden wir an Dingen arbeiten, an Konzepten und auch empirischen Studien, die dann diese Facette noch näher beleuchten. Johanna Sebauer: Eure Leitfrage am Standort Hamburg war ja, welche Rolle spielen Medien und Kommunikation bei der Herstellung von gesellschaftlichem Zusammenhalt oder für die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts? Wie seid ihr an diese Frage rangegangen? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Also wir hatten jetzt die Arbeit in den vier Jahren in Teilprojekten organisiert. Wir hatten drei, sag ich mal, wissenschaftliche Projekte im engeren Sinne, die also mit bestimmten Erkenntnisinteressen, Forschungsfragen und Methoden Teilaspekte behandelt haben. Ich kann gleich noch Beispiele nennen. Wir hatten ein viertes Projekt, das war das, oder ist das, Social Media Observatory. Das ist eigentlich eher eine Art Infrastrukturprojekt gewesen, weil wir in den letzten Jahren eben auch Werkzeuge, Tools und Kompetenzen aufgebaut haben, um Social Media Beobachtungen leisten zu können, nicht nur bei uns am Standort, sondern auch für das FGZ insgesamt. Da haben wir die Infrastruktur aufgebaut, die wir jetzt auch weiterführen wollen, die auch für andere Forscherinnen und Forscher im FGZ und darüber hinaus zugänglich ist. Das war also ein ganz wichtiger Bestandteil. Und dann hatten wir ein Projekt, das war eher unser internes Koordinations- und Transferprojekt, wo wir auch Veranstaltungen organisiert haben, Gastvorträge, interaktive Veranstaltungsformate, etc. Das war die Struktur, also fünf Teilprojekte. Diese drei wissenschaftlichen, oder was heißt wissenschaftlich, es waren alles wissenschaftliche Projekte, aber diese drei Projekte, die im engeren Sinne forschungsgetrieben waren, haben sich zum einen eher aus Nutzersicht generiert. Da war die Leitfrage, welche Rolle spielen bestimmte Praktiken der Mediennutzung darin, wie sich Menschen zugehörig fühlen oder wie sie Zusammenhalt herstellen, indem sie sich in Bezug setzen zur Gesellschaft und zur gesellschaftlichen Öffentlichkeit? Also welche Medien nutzen Menschen, und sind bestimmte Medienrepertoires, also bestimmte Kombinationen von Medien, die Menschen nutzen, positiv oder negativ korreliert mit dem Gefühl von Zusammenhalt in der Gesellschaft? Das war also ein Projekt, das ausgehend von den einzelnen Nutzerinnen und Nutzern geforscht hat, durch eine Reihe von empirischen Analysen, auch von bestehenden Datensätzen, und so weiter. Da kann ich nachher noch was erzählen, aber das war so das eine Projekt. Das zweite Projekt hat sich mit der Beziehung zwischen Journalistinnen und ihrem Publikum beschäftigt. Das ist eine Forschungslinie, die wir am Bredow-Institut schon lange haben, vor allem in der Person von Wiebke Loosen und ihrem Team, die viel dazu arbeiten. Und im Rahmen des FGZ haben Wiebke und ihr Team zwei Befragungen miteinander kombiniert. Sie hatten zum einen die Möglichkeit, oder wir hatten insgesamt als Standort die Möglichkeit, eine Bevölkerungsbefragung durchzuführen. Und da wurden Menschen unter anderem danach gefragt, welche Erwartungen sie eigentlich an Journalistinnen und Journalisten haben, was Journalistinnen tun sollen. Und Wiebke Loosen und ihr Team haben eine große repräsentative Journalistinnen-Befragung in einem ganz anderen Kontext durchführen können, also nicht vom FGZ gefordert, aber sie konnten dank FGZ-Förderung noch vertiefende Fragen einbauen. Der Clou jetzt von ihrem FGZ-Projekt ist, dass sie diese beiden Befragungen übereinanderlegen konnten und schauen konnten, ob eigentlich Erwartungen, Selbstbild und Fremdbild von Journalistinnen und ihrem Publikum Übereinstimmen oder auseinanderklaffen. Und das wird da interessant, gerade wenn es um Fragen geht wie: Ist es eigentlich journalistische Aufgabe, Zusammenhalt zu fördern oder nicht? Da gibt es auch bei Journalistinnen ganz unterschiedliche Selbstbilder und Selbstverständnisse. Johanna Sebauer: Und was ist die Antwort darauf? Ist es deren Aufgabe? Oder hat die Studie irgendwelche Ergebnisse zutage befördert, mit denen man diese Frage beantworten konnte? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Da stellt sich zwei Fragen auf einmal. Also die Frage, ob es die Aufgabe von Journalist*innen ist, würde ich mit Ja beantworten, insofern Journalist*innen ein Interesse oder die Aufgabe haben sollten, zu einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft beizutragen. Ich glaube, es sollte nicht Aufgabe oder Praxis von Journalist*innen sein, die Gesellschaft auseinanderzutreiben. Das mögen vielleicht andere anders sehen. Aber das ist meine Meinung. Im Grunde ist es ähnlich, wie ich auch glaube, dass wir als Bürgerinnen und Bürger die Aufgabe haben, zum Funktionieren von Demokratien und zum Zusammenhalt beizutragen. Journalist*innen tun das aber eben, sie haben eine bestimmte professionelle Rollen, sie haben bestimmte Praktiken, sie haben eine bestimmte gesellschaftliche Funktion. Der Kniff, über den sich dann auch Wiebke und ihre Kolleginnen dem genähert haben, war, dass sie über „zusammenhaltssensiblen“ Journalismus gesprochen haben. Und darüber auch zu Beginn des FGZ Workshops mit Journalist*innen und anderen gemacht haben, wo sie sich anhand dieses Begriffs genau über diese Fragen unterhalten haben. Johanna Sebauer: Das ist ein Begriff, der speziell für diese Studie erfunden wurde? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, ich kriege das jetzt nicht mehr ganz zusammen, aber ich meine, dass der in dieser Auseinandersetzung darum, wie auch in der Selbstreflexion, entstanden ist. Kann man jetzt Wissenschaftlerinnen und Journalisten vorschreiben, dass sie zum Zusammenhalt beitragen sollen oder nicht? In dem Wunsch, einen Impuls zu geben, um über genau diese Fragen zu sprechen, kamen wir dann auf diesen zusammenhaltssensiblen Journalismus, der erst mal noch nicht festlegt, wie ich selber agiere, sondern nur, dass ich sensibel dafür bin, dass das, was ich tue als Journalistin, als Journalist, eben auch etwas mit Zusammenhalt zu tun haben kann. So war die Gedankenbewegung. Jetzt in der empirischen Untersuchung, welche Bedeutung diese Aufgabe im Selbstverständnis der befragten Journalistinnen hat, das kann ich jetzt auswendig gar nicht sagen. Da müssten wir mal gucken, oder da müssten wir mal einen Podcast mit Wiebke machen, sie kann da einiges zu erzählen, glaube ich. Johanna Sebauer: Ja, haben wir, glaube ich, auch schon. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Hast du schon? Okay, ja, dann sehen wir das ja vielleicht verlinkt. Ich bin noch ein Projekt schuldig. Nämlich im dritten Projekt haben wir uns noch mal speziell mit öffentlich-rechtlichen Medien, Medienorganisationen auseinandergesetzt. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in Deutschland oder öffentlich-rechtliche Medien haben einen Zusammenhaltsauftrag. Das steht also jetzt auch in den novellierten Fassungen des Medienstaatsvertrags, wo es um den Auftrag öffentlich-rechtlicher Medien geht. Unter anderem steht explizit drin, sie sollen durch ihr Programmangebot unter anderem zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Und wir haben uns in dem Projekt eben gefragt, wie das verfassungsrechtlich einzuschätzen ist, was daraus folgt. Aber auch, was denkt eigentlich die Bevölkerung? Erfüllen diese Medienangebote diesen Auftrag? Auch da haben wir auf diese schon erwähnte Bevölkerungsbefragung zurückgreifen können. Und das war das Tolle an dem Projekt. Da haben wir sehr partizipative Gesprächs- und Veranstaltungsformate mit Bürgerinnen und Bürgern durchgeführt, wo wir uns mit den Menschen tatsächlich ausführlich zu diesen Fragen unterhalten haben. Das war das Tableau der Projekte. Johanna Sebauer: Das letzte genannte Projekt, also öffentlich-rechtliche Medien und gesellschaftlicher Zusammenhalt, ist ja auch gerade sehr aktuell und spannend, wenn wir einen Blick in die Zukunft wagen, in den Herbst, wo Wahlen in Bundesländern stattfinden, die aktuell laut Umfragen von der AfD möglicherweise gewonnen werden. Die AfD hält ja nicht damit hinter dem Zaun, dass sie plant, die öffentlich-rechtlichen Medien abzuschaffen. Also sind dann viele Menschen auch dafür, dass öffentlich-rechtliche Sender, die einen Auftrag haben, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, abgeschafft werden? Also sind sie für die Spaltung? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, ich glaube, die Verbindung ist nicht so direkt. Also es wäre interessant, wenn man Menschen damit direkt konfrontieren würde. Wahrscheinlich würden die Menschen das verneinen, sie würden vermutlich sagen, dass sie vielleicht gar nicht generell gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind, sondern gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so, wie er momentan ist. Und da wird es dann interessant, weil man dann meines Erachtens genauer hingucken muss und durchaus auch berechtigte Kritikpunkte – Stichwort: Skandale der letzten Jahre und vielleicht auch missglückte inhaltliche Angebote und was auch immer man an Problemen benennen kann – differenzieren muss von einer pauschalen Kritik, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Meinungsmache, Lügenpresse, Merkelpresse und all diese Dinge unterstellt. Das, glaube ich, verdeckt eher nur, dass manche Leute vielleicht einfach keinen Bock haben, das Geld zu bezahlen, weil sie das Gefühl haben, das bringt ihnen nichts. Andere sind vielleicht aus grundsätzlichen Überlegungen dagegen. Ich glaube, die AfD, also wenn es um politische Akteure geht, ist tatsächlich auch deswegen kritisch, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Großen und Ganzen ja gut funktioniert und ein Gegengewicht auch gegen antidemokratische Strömungen ist, aus gutem Grund. Da kann ich bei einer Partei wie der AfD und ihren Vertretern gut verstehen, dass sie das nicht wollen. Aber daraus folgt aus meiner Sicht eben nicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abzuschaffen, sondern im Gegenteil, ihn zu stärken. Johanna Sebauer: Das waren jetzt die Projekte des Standorts Hamburg. Habt ihr während der Arbeitsphase in den letzten vier Jahren auch viel mit den anderen Instituten zusammengearbeitet? Oder wie sah das aus? Hat man sich da ausgetauscht? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, hat man, weniger als ursprünglich gedacht, das lag aber an Corona. Das muss man einfach noch mal sagen. Wir haben die Projekte der ersten Phase und auch die Zusammenarbeit zwischen diesen elf Standorten in der Zeit vor Corona geplant. Der offizielle Start der Förderphase war der 1. Juni 2020. Da hatten wir gerade zwei, zweieinhalb Monate Corona. Ich weiß gar nicht, ob wir da noch mitten im Lockdown waren. Aber wir haben, oder alle Standorte haben im Prinzip ihre FGZ-Arbeit unter Corona-Bedingungen aufgebaut, was schwierig war. Wir haben – ich spreche jetzt für uns – neue Kolleginnen und Kollegen ans Institut bekommen. Wir wollten und mussten uns ja irgendwie auch als Team zusammenfinden. Wir wollten die Beziehungen zu den anderen Instituten aufbauen. Und das haben wir dann alles über Zoom gemacht, also über digitale Treffen. Aber das ist gerade in so einer, ich nenne es mal, Teambildungsphase, auch im großen Stil von so einem großen Unterfangen, alles andere als optimal gewesen. Der sichtbare Ausdruck war dann, dass wir nur einen ganz kleinen Bruchteil der Reisemittel ausgeschöpft haben. Das mag natürlich … also freut vielleicht die Geldgeber, weil dann eben Geld übrigbleibt, aber es ist ein Ausdruck dafür, dass Reisen entfallen mussten. Und wir merken eigentlich jetzt erst im Nachgang, in den letzten Jahren wieder, seit wir auch diese Treffen mit anderen Standorten auf der Ebene von Forschungscluster, die es im FGZ auch gibt, haben, wie wertvoll dieser Austausch ist. Das Positive wiederum: Das FGZ wird ja, also es deutet jetzt alles darauf hin, dass es eine zweite Phase geben wird. Und es steht auch im Raum, das ist zumindest das Ziel, auch der Politik, die uns fördert, dass es verstetigt werden soll, also in ein dauerhaftes Institut überführt werden soll. Aber als dezentrales Institut, das heißt, wir werden immer mit dieser Ortsverteilung leben. Und wir haben jetzt natürlich, unter dem Corona-Zwang, erprobt, wie man ortsverteilt zusammenarbeiten kann. Davon profitieren wir jetzt, weil wir auch in Zukunft viel digital und remote in Arbeitsgruppen, kollaborativen Serverstrukturen usw. arbeiten können. Dann ist es egal, ob man in Jena sitzt oder in Hamburg. Johanna Sebauer: Ja, in dieser Hinsicht hat Corona uns viel gelehrt. Das muss man schon sagen. Aber was ich mir denke, was Corona gerade beim Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt auch gebracht hat, ist, dass das Thema so ein bisschen auch auf die Karte gesetzt wurde. Weil, durch die Pandemie sind so viele Debatten entstanden, die heftig geführt wurden, on- und offline. Denkst du, dass man seit dem Start des FGZ, also seit 2020, dass sich da auch so ein bisschen der Diskurs um das Thema gesellschaftlicher Zusammenhalt verstärkt hat? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, also verstärkt, auf eine Art verbreitet. Der ursprüngliche Gründungsimpuls für das FGZ kam aus der Mitte der 2010er Jahre, aus dieser Migrationsdebatte, also den Flüchtlingsströmen. Und dann aus diesen Anhaltspunkten: Schaffen wir das? Refugees Welcome versus „überfordern wir uns?“ und so weiter. Und damals fingen diese Themen, also dieser gesellschaftliche Zusammenhalt, an, Teil der politischen Debatten zu werden. Aber das war dann damals auch im politischen Raum so dringend, dass dann der Impuls kam: Dazu brauchen wir auch wissenschaftliche Begleitung, brauchen wir dieses Forschungsinstitut. Corona kam dann, so zynisch das klingt, zu einem passenden Moment, weil dann klar wurde, es hat eben auch nicht nur was mit der Frage zu tun, ob Menschen pro oder kontra Flüchtlinge sind, sondern durch Corona kamen auch Fragen wie die, die gerade für uns in Hamburg wichtig sind: Woher beziehen Menschen ihre Informationen? Welche Rolle spielt der professionelle Journalismus bei der Vermittlung von Wissen? Welche Rolle spielen mittlerweile soziale Medien, alternative Medien? Diese Dinge. Wie ist das Vertrauen in – jetzt wird es soziologisch kompliziert – das Vertrauen in epistemische Autoritäten verteilt? Vertrauen Menschen dem Journalismus, der Wissenschaft, oder sind sie dem einen oder beiden gegenüber skeptisch eingestellt? Das sind Dinge, die durch Corona auf die Tagesordnung gekommen sind. Und dann hatten wir sozusagen, Stichwort Multikrise, natürlich jetzt den Ukraine-Krieg, den Krieg in Gaza, wo auch immer noch mal neue Konfliktlinien aufbrechen, und so dieses Gefühl, also zumindest dieses Gefühl, die Gesellschaft fragmentiert immer stärker, das begleitet uns jetzt die ganzen vier Jahre. Johanna Sebauer: Ja, auch ich glaube, seit Anfang des Jahres haben wir so viele Proteste erlebt wie schon lange nicht mehr in der Republik. Die Bauernproteste, die pausenlosen Streiks bei der Bahn, bei den Fluglinien. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Aber auch die Gegendemos, wo sich gezeigt hat, dass Protest auch nicht nur gegen etwas geht, wo vielleicht auch eine vermeintlich kleine Gruppe überproportional viel Aufmerksamkeit bekommt, sondern wo sich vielleicht auch die schweigende Mehrheit äußert. Johanna Sebauer: Ja, aber sie nannten sich trotzdem Demos gegen Rechts. Es war ein Gegenprotest. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Das ist richtig, genau. Aber es sind im Prinzip auch Demonstrationen für eine liberale, offene und zusammenhaltende Gesellschaft, die sich gegen Strömungen wehrt, die spalten wollen, oder die fragmentieren wollen. Johanna Sebauer: Jetzt beginnt die Phase 2. Wie geht es dir jetzt damit persönlich? Also, es war ja nicht immer klar, dass es weitergeht, oder? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Nee, es war ... Ja, also es war von Anfang an klar, dass es erst mal diese vier Jahre Förderung gibt. Und danach kann es eine zweite Förderphase geben und perspektivisch eine Verstetigung. Aber das ist kein Selbstläufer, sondern auch diese zweite Förderphase mussten wir beantragen. Und das heißt, wir mussten einen Arbeitsplan vorlegen. Wir mussten darlegen, was wir gelernt haben aus Strukturentscheidungen der ersten Phase, die nicht tragfähig waren, die auch mit der Art zu tun haben, wie das Gesamtgebilde gesteuert wird, wie Entscheidungen getroffen werden, etc. Das heißt, wir haben im letzten Jahr, also 2023, relativ viel Zeit damit verbracht, an den elf Standorten zu überlegen, wie eine zweite Förderphase aussehen könnte, die dann, das war die Vorgabe, auch auf fünf Jahre angelegt sein sollte. Der Antrag war dann ein zweistufiger Prozess, wo erst Projektvorschläge intern begutachtet wurden. Da sind auch Vorschläge schon intern abgelehnt worden. Und dann gab es einen Antrag mit einem Arbeitsprogramm, das dem Ministerium vorgelegt wurde. Das wurde durch eine externe Expertenkommission begutachtet. Da kamen auch noch mal Empfehlungen heraus, und das Wichtige ist, dass empfohlen wurde, eine zweite Förderphase ab dem 1. Juni 2024 zu starten. Und in dieser zweiten Förderphase dann auch schon sozusagen in die Wege zu leiten, ein Konzept vorzulegen, wie ein dauerhaft angelegtes Institut aussehen könnte. Das ist also jetzt die nächste wichtige strukturelle Aufgabe. Insofern ist das noch nicht in trockenen Tüchern, weil zwar diese inhaltliche Entscheidung, was wir machen wollen, gefällt wurde, aber es gibt dann immer noch den formalen Antrag, wo man aufschlüsseln muss, wie viel Geld man in Jahr 1, Jahr 2, Jahr 3 benötigt, wofür das verwendet wird, wie viele Reisen man plant, Veranstaltungen und so weiter. Das sind dann in der Terminologie des BMWi die sogenannten AZA-Anträge, und die haben wir inzwischen auch abgegeben. Da warten wir aber noch auf den förmlichen Bescheid, dass wir auch die Mittel bewilligt bekommen, der steht noch aus. Aber das ist ... Also ich hoffe, zum Zeitpunkt unseres Gespräches steht das noch aus, aber wenn der Podcast veröffentlicht ist, haben wir das dann vielleicht schon. Johanna Sebauer: Jetzt versteht man mal ganz gut, warum das in der Wissenschaft oftmals so lange dauert, weil alles sehr genau geplant werden muss. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, und es geht auch um eine substanzielle Förderung. Also das gesamte FGZ wird für fünf Jahre ungefähr 50 Millionen Euro Förderung aus öffentlichen Mitteln erhalten. Und das ist, in heutigen Zeiten sowieso, kein Pappenstiel. Klar, es gibt auch Forschungsförderungen, die noch mal ganz andere Dimensionen haben, aber in den Sozialwissenschaften ist das schon ordentlich. Und das kann man eben auch nicht einfach mal so beschließen nach dem Motto: „Hier, ich hab da mal eine Idee, ja, hier hast du das Geld.“ Das wäre auch Quatsch, das erwartet auch keiner. Also insofern ist das auch völlig in Ordnung, dass das Zeit braucht und aufwendig begründet und ausführlich begründet werden muss. Das ist völlig in Ordnung. Johanna Sebauer: Welche konkreten Projekte gibt es denn jetzt? Kannst du darüber schon sprechen? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja. In unserem Standort. Genau. Also wir haben auf der einen Seite mehr Projekte im Sinne von Arbeitspaketen. Ich glaube, insgesamt sieben oder acht. Die schlüssele ich jetzt gar nicht alle auf, weil wir das jetzt so in unserer internen Logik und auch in den Arbeitsschwerpunkten im Prinzip auf drei Arbeitsschwerpunkte bündeln, die dann teilweise auch aus einzelnen Arbeitspaketen bestehen, die vielleicht nur zwei Jahre laufen. Das Social Media Observatory wird weiter gefördert, wird auch weiterhin seine Arbeit leisten. Da geht es vor allem darum, diese Infrastrukturen der Social-Media-Beobachtung so zu gestalten, dass sie auch für neue Plattformen offen sind. Wir haben uns in der ersten Phase vor allem auf Facebook, Instagram und Twitter konzentriert. Jetzt für eine zweite Phase müssen wir eben schauen, ob wir an TikTok herankommen, zum Beispiel. Wie ist es mit Telegram? Also Plattformen, bei denen wir im Laufe der Zeit gemerkt haben, dass sie wichtig werden oder aktuell wichtig sind. Und vielleicht sprechen wir in drei Jahren über eine Plattform, die es heute noch gar nicht gibt. Also die Offenheit zu haben und auch die Ressourcen zu haben, auch neue relevante Social-Media-Plattformen zu erschließen, darum soll es gehen. Und auch generell weiterhin im FGZ Schulungen und Unterstützung anzubieten, etc. Das ist also ein Baustein. Der zweite Baustein ist, dass es weiterhin ein Koordinations- und Transferprojekt gibt. Also wir planen auch in der zweiten Phase Veranstaltungen, Tagungen, Workshops, etc., die in diesem Transferprojekt koordiniert werden. Und das dritte Vorhaben ist, da ist so die Überschrift „Transformation der gesellschaftlichen Verständigungsordnung“. Hatte ich gerade schon gesagt. Also der Gedanke, dass sich in den letzten Jahren, durch das Internet, durch digitale Medien, aber auch durch andere Entwicklungen, die Art und Weise verändert hat, wie wir als Gesellschaft eigentlich über uns selber verständigen, in welchen Strukturen und in welchen Praktiken das geschieht. Das hat viel mit dem Medienwandel zu tun, dass der Journalismus eben nicht mehr die einzige Instanz ist. Was ich vorhin schon gesagt habe, dass auch die Wissenschaft an AutoritÄt verloren hat, zumindest in bestimmten Kreisen. Wir wollen in dieser zweiten Phase eben untersuchen, wo sich die gesellschaftliche Verständigungsordnung wandelt, welche Rahmenbedingungen, rechtlicher Art, welche Selbstverständnisse, welche Vorstellungen Menschen darüber haben, wie gesellschaftliche Verständigung gelingen sollte. Und wir wollen das empirisch untersuchen, und da zeigt sich jetzt auch der große Wert des FGZ, weil wir in der zweiten Phase von Hamburg aus mit einem anderen großen Projekt des FGZ zusammenarbeiten können, das ist das „Qualipanel“: Das ist eine große qualitative Befragungsstudie. Qualitativ heißt, wir geben den Leuten keinen Fragebogen, sondern wir führen längere Gespräche, zwei, drei Stunden, mit Menschen. Und dieses große Projekt gibt es schon in der ersten Phase. Da haben Kolleginnen und Kollegen aus Göttingen und Bremen mit knapp 100 Menschen in ganz Deutschland schon zweimal im Laufe dieser vier Jahre diese ausführlichen Gespräche geführt. Der Fokus war da, glaube ich, vor allem auf biografische Erfahrungen, Vorstellungen von Zusammenhalt, vielleicht auch der Umgang mit Brüchen und Konflikten im eigenen Alltag. Und wir kommen jetzt in den nächsten Jahren dazu und wollen uns mit den gleichen Menschen, mit denen sich Leute schon zweimal so tiefgehend unterhalten haben, ein drittes Mal unterhalten, mit dem Fokus auf ihre Mediennutzung. Und die Frage ist nicht nur, welche Medien sie nutzen, für welche Zwecke, sondern auch, ob sie in diesen Medien Zusammenhaltserfahrungen machen, wie sie das einschätzen, ob sie über Medien, zum Beispiel über soziale Medien, eigentlich das Gefühl haben, sie sind verbundener als vorher oder nicht. All diese Dinge wollen wir einbringen. Und das Tolle ist eben, dass wir da ein Projekt haben, das schon viel Daten gesammelt hat. Wir können da jetzt andocken und wir können eben von Hamburg aus mit unserer spezifischen kommunikationswissenschaftlichen Brille auch den soziologischen Kolleginnen und Kollegen aus Bremen und Göttingen neue Impulse geben. Wir haben Methoden, die sie sozusagen nicht kennen, nicht, weil die besonders geheim sind, sondern einfach, weil sie nicht angewandt werden, zum Beispiel unser Konzept der Medienrepertoires: Also die Leute zeichnen Karten, wenn man so will, ihrer Mediennutzung und setzen Medien zueinander in Beziehung. Und das wollen wir mit den Menschen machen. Wir überlegen auch, ob wir die Menschen um Datenspenden bitten, ob es da unter den 100 Menschen welche gibt, die bereit wären, uns zum Beispiel Einblick in ihre Facebook-Kontaktliste zu geben. Oder was auch immer. Also alles auf freiwilliger Basis, aber um dann auch so mit digitalen Daten arbeiten zu können, wo wieder das SMO gefragt ist. Also wir versuchen da tatsächlich auch nicht nur isoliert mit drei Leuten hier bei uns am Bredow-Institut zu arbeiten, sondern tatsächlich im FGZ. Johanna Sebauer: Das ist dann genau der Sinn eines Instituts, das sich mit gesellschaftlichem Zusammenhalt beschäftigt, dass es möglichst breit verteilt ist Über die ganze Republik und dann aber wie ein großes Zahnrad ineinandergreift. Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Genau. Also mehrere Zahnräder. Das gesamte FGZ hat eine Größenordnung, da ist es, glaube ich, illusorisch zu sagen, da gibt es jetzt die eine FGZ-Perspektive oder das eine Ergebnis. Dafür ist es …, ich weiß nicht, wie es in der zweiten Phase sein wird. In der ersten Phase, glaube ich, wenn man alle so mitzählt, waren das irgendwie 200 Menschen Über diese Standorte, die in einzelnen Projekten oder in mehreren beteiligt waren. Und die haben ganz unterschiedliche Gründe. Das heißt, das ist arbeitsteilig. Und ich glaube auch, dass viele im FGZ von vielen anderen gar nicht so richtig wussten, was die machen. Das geht uns auch nicht anders. Wir sind kleiner, aber auch hier hat man das ja schon. Man hat einfach dann so ein engeres Umfeld, mit dem man sich stärker austauscht. Im Idealfall gibt es Mechanismen und Wege, dass man auch mitbekommt, was an anderen Standorten passiert. Aber man muss das auch irgendwie arbeitsteilig organisieren, um voranzukommen. Johanna Sebauer: Ja, das klingt alles für mich so, wie etwas, das lange brauchen wird, bis es gut funktioniert. Also das ist so eine große Maschinerie, die lange braucht, bis sie anläuft. Und wenn sie dann läuft, dann kann da was richtig Gutes entstehen. Also was sind so deine Erwartungen für die zweite Phase? Und wo siehst du die Herausforderung? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, ich habe auch gerade überlegt, ob ich sage, ich erwarte Herausforderungen. Aber also die ... Ich erwarte schon, dass wir noch mal anders zusammenarbeiten im FGZ, auch weil wir – das hatte ich vorhin kurz angedeutet –, weil wir die Art, wie wir gerade diese Forschungskooperationen zwischen den Standorten organisieren, auf eine andere Grundlage gestellt haben. Wir hatten in der ersten Phase drei vergleichsweise lockere Cluster, so haben wir das genannt. Das waren im Prinzip einfach Bündel, da haben sich verschiedene Projekte zugeordnet, die eher so ein bisschen theoretisch-konzeptionell waren, die eher empirisch gearbeitet haben, die eher historisch und vergleichend gearbeitet haben. Da ist auch viel passiert. Aber in der zweiten Phase wird es fünf solche Themenfelder geben, und die sollen tatsächlich programmatischer arbeiten. Da soll es programmatische Leitfragen geben, auf die auch die einzelnen Teilprojekte in so einem Themenfeld einzahlen. Und selbst wenn sie dann nicht im Kern dazu forschen, sollen sie trotzdem sprechfähig sein und etwas beisteuern können. Und dazu wird es auch für jedes dieser Themenfelder designierte Koordinatorinnen und Koordinatoren geben. Das wird ziemlich herausfordernd, das sehe ich schon. Auch für die Menschen, die das machen. Ich kenne die auch, das sind Leute, die auch in der ersten Phase schon gearbeitet haben, ich habe absolutes Vertrauen, aber es wird durchaus eine Aufgabe, das eben zu koordinieren und zu steuern. Ansonsten freue ich mich tatsächlich, ich freue mich auf das Projekt zur gesellschaftlichen Verständigungsordnung, das ich mit Wiebke Loosen zusammen machen werde. Da freue ich mich drauf. Ich freue mich unglaublich darauf, in diesem Qualipanel zu arbeiten. Ich habe auch fest vor, selbst tatsächlich Feldforschung zu machen. Ich möchte selbst gerne auch Gespräche führen, also an verschiedene Orte der Republik fahren, mich mit den Menschen unterhalten. Ich finde das immer total toll. Ich mache das lieber, als Fragebögen auszuwerten. Ich spreche tatsächlich lieber mit den Leuten. Ja, freue mich natürlich auch, dass es das Social Media Observatory weitergeben wird, dass es weiterarbeiten kann. Also insofern sind es freudige Erwartungen, das klingt abgedroschen, aber ja, ich freue mich drauf. Johanna Sebauer: Vielleicht jetzt zum Schluss noch ein kleiner Ausblick oder vielleicht auch eine eher persönliche Frage, bei der du aus deiner Forscherperspektive vielleicht auch ein bisschen raussteigen musst. Aber was denkst du, sind so die größten Herausforderungen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt aktuell? Und was könnte vielleicht das FGZ dazu beitragen, dass dem begegnet wird? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Also ich glaube nicht, dass wir in einer gespaltenen Gesellschaft leben. Aber wenn man das Bild hat, dass die Gesellschaft in zwei Teile zerfällt ... Johanna Sebauer: Haben ja viele, ne? Dr. Jan-Hinrik Schmidt: Ja, viele. In den USA ist das tatsächlich deutlich stärker in diese Richtung ausgeprägt. Das ist in Deutschland nicht so. Das haben auch Studien aus dem FGZ gezeigt. Also große repräsentative Befragungen haben gezeigt, dass es zwar Konfliktlinien gibt, aber die laufen nicht im Sinne von, es gibt zwei Hälften der Gesellschaft, die einen denken in allen Aspekten so, und die anderen genau entgegengesetzt. Das nicht. Das Problem ist, es gibt Teile der Gesellschaft. Oder bei bestimmten Fragen und Themen gibt es Teile der Gesellschaft, die zwar nominell kleiner sind, das ist nicht die Mehrheit, und das macht vielleicht auch nur ein paar Prozent der Gesellschaft aus oder vielleicht mal 24 Prozent, die das Vertrauen in öffentliche Institutionen verloren haben, den Medien nicht mehr vertrauen, der Politik nicht mehr vertrauen, vielleicht auch teilweise der Demokratie nicht mehr vertrauen, autoritaristische Vorstellungen haben, die eine andere Gesellschaft wollen, und so weiter. Und diese nicht homogene Gruppe, da gibt es einen homogenen Kern, vermischt sich dann aber auf verschiedene Art und Weise und auch im politischen Raum. Da muss man die AfD nennen und andere, die tatsächlich mehrere dieser Konfliktthemen populistisch bedienen. Aber dadurch gelingt es, das Bild in der Öffentlichkeit zu prägen, dass die Gesellschaft auseinanderfällt. Diese Stimmung in der öffentlichen Debatte ernst zu nehmen und gleichzeitig wissenschaftlich etwas dagegenzusetzen, jetzt nicht im Sinne von „es ist nicht so schlimm“, sondern zu sagen „Nein, passt mal auf. Das täuscht hier, man denkt vielleicht, alle denken so, aber nein, es ist nur ein ganz kleiner Teil“. Deswegen waren diese Demonstrationen auch so wichtig, weil sie gezeigt haben, dass die Mehrheit der Deutschen nicht mit der AfD auf die Straße geht. Die Mehrheit geht gegen die AfD auf die Straße. Das war das unglaublich Wichtige da. Aber das hinzukriegen und zugleich dafür zu sorgen, dass die Politik und die Medien, dass man die nicht reflexhaft verteidigt, sondern immer wieder daran erinnert, welche große Verantwortung sie haben. Stichwort Multikrisen, mit der Klimakrise vielleicht als der größten. Da kann ich auch verstehen, wenn jemand sagt „das klappt doch alles nicht“, weil da wirklich noch zu wenig getan wird. Aber das jetzt nicht in populistische Wut umzudeuten, sondern in konstruktiv-demokratischen Druck, „Macht mal. Wir wollen, dass etwas passiert.“ Das ist so die große Herausforderung, die ich sehe, wo wir als FGZ vielleicht einen kleinen Beitrag leisten können. Aber da sind wir auch als Bürgerinnen und Bürger gefragt. Ja, so, ich habe jetzt den Anfang der Frage vergessen, aber das ist so meine Einschätzung der Situation. Johanna Sebauer: Ja, was deine Einschätzung vom gesellschaftlichen Zusammenhalt war und was das FGZ dazu beitragen kann. Das hast du eigentlich beantwortet. Ja, Jan, herzlichen Dank für deine Zeit, dass du dir die Zeit genommen hast, das so genau zu erklären. Ich werde alle Studien, die du erwähnt hast, oder alle Projekte, die du erwähnt hast, unten verlinken. Da kann man sich dann noch genauer informieren. Für sonstige Projekte oder Studien kann man auch gerne unsere Webseite besuchen: leibniz-hbi.de, oder uns auf LinkedIn folgen. Diesen Kanal bespielen wir seit einiger Zeit intensiver. Auf Twitter sind wir nicht mehr aktiv, also gerne auf LinkedIn folgen. Herzlichen Dank fürs Zuhören. Danke dir, Jan, und bis zum nächsten Mal. Tschüss. Bredowcast. Wir erforschen was mit Medien.