BredowCast91 - Schulfunk und Schulfernsehen Transkript Johanna Sebauer Herzlich Willkommen beim BredowCast, dem Podcast aus dem Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg. Mein Name ist Johanna Sebauer und in diesem Format spreche ich mit Medienforscherinnen und Medienforschern über ihre Arbeit. Heute ist mein Gast Maximilian Brockhaus live zugeschaltet aus dem schönen Wien. Hallo Max. Maximilian Brockhaus Hallo Johanna, freu mich, dass ich mit dir sprechen darf heute. Johanna Sebauer Ja, ich freu mich auch gewaltig. Ich stell dich kurz vor: Du arbeitest am Institut für Zeitgeschichte an der Uni Wien und warst von Oktober letzten Jahres bis Januar diesen Jahres als Gastforscher bei uns am HBI in Hamburg und hast da an deiner Dissertation weiter geschrieben zum Thema Schulfunk und Schulfernsehen. Darüber wirst du uns heute ein bisschen was erzählen. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich freue mich wie gesagt gewaltig, dass wir heute miteinander sprechen, und das hat mehrere Gründe. Zum einen ist ja der BredowCast auch ein Grund dafür, dass wir überhaupt heute miteinander sprechen und dass du Gastforscher bei uns warst. Maximilian Brockhaus Genau. Ich find's auch voll lustig, weil sich das für mich ein bisschen so anfühlt, als würde sich so ein Kreis schließen. Als ich angefangen habe, drüber nachzudenken, über was ich meine Dissertation schreibe und dann so zum Schulfunk und Schulfernsehen gekommen bin. Man muss man in Wien am Anfang des Doktoratsstudiums, das war 2012 ,so ne eine FAP machen, die Fakultätsöffentliche Präsentation, und da bereitet man sich dann irgendwie drauf vor und versucht so‘n bisschen Forschungsstand und alles Mögliche zu erschließen und dann ging mir das sehr viel im Kopf herum und ich kam dann irgendwie drauf, dass so zur Mediengeschichte, dass das vielleicht in Wien und auch in Österreich nicht so den höchsten Stellenwert hat, auch in der Zeitgeschichte. Deswegen habe ich ganz verzweifelt irgendwie nach Ressourcen gesucht. Um Dinge über Mediengeschichte zu erfahren. Und wenn ich mich schon mal dazu durchringe, Sport zu machen, dann muss ich dazu Podcasts hören. Und dann saß ich eines Tages irgendwann am Abend beim Sport machen irgendwie in so einem Fitnessstudio hier um die Ecke und finde es auch immer ganz lustig, wenn ich jetzt dann vorbei gehe, denke ich immer an diesen Moment, als ich auf meinem Handy nach Mediengeschichte gesucht habe und dann einen Podcast gefunden habe, nämlich den BredowCast und da gab es eine Folge, ich habe nochmal nachgeschaut, Juli 2015. Wo es um Entangled Media Histories ging. Und da bin ich dann über diesen Weg einerseits auf das Netzwerk gestoßen, aber natürlich auch auf das Bredow Institut auf Hans-Ulrich Wagner, der mich dann betreut hat in Hamburg, als ich bei euch war. Und dann Jahre später eben diese zweieinhalb, fast 3 Jahre später konnte ich dann selber zu euch nach Hamburg kommen und der Podcast hat mich quasi zu euch geführt und jetzt hier sprechen zu dürfen, ist super, voll gut. Johanna Sebauer Ja, das ist eine total schöne Geschichte und macht mich auch ein bisschen stolz zu wissen, dass unser kleiner Podcast so was bewirken kann, dass er Leute zusammenbringt und das ist ja sehr schön. Als du hier bei uns warst, in den Monaten haben wir es ja leider nicht geschafft, den einen Podcast zusammen aufzunehmen, deswegen machen wir das heute remote. Du bist in Wien, ich sitz in Hamburg. Dein Thema Schulfunk und Schulfernsehen ich muss ganz ehrlich sagen, als ich das zum ersten Mal gehört hab, war mir nicht so klar, was das eigentlich ist. Und beim Wort Schulfernsehen vor allem habe ich sofort gedacht an, weißt du, den Moment, wenn der Biologielehrer den Medienwagen reinschiebt und alle so erleichtert aufatmen, weil heute eine Dokumentation anzuschauen ist und man so leise in der hintersten Reihe wegdösen kann? Das ist nicht das, worüber du forschst? Maximilian Brockhaus Zum Teil schon. Also kommt drauf an, was dein Lehrer oder deine Lehrerin dann gezeigt hat, als der Fernseher, als das Fernsehwagerl reingeschoben wurde. Es war aber definitiv für mich nicht der Ausgangspunkt, als ich damals angefangen habe, zu dem Thema zu forschen, zu sagen, mich interessiert die Geschichte dieses Schulfernsehwagens, der da irgendwie reingeschoben wurde. Ich bin auch über Umwege auf das Thema gekommen. Und grundsätzlich ging es dann darum, dass mit der Einführung neuer Medien – einerseits dem Radio 1924 und später in den 50er Jahren, als das Fernsehen immer mehr Geschwindigkeit und Reichweite erlangt hat –, dass man sich zu diesen Zeitpunkten gedacht hat, wie können wir diese beiden neuen Technologien eigentlich auch dazu nutzen, um den Unterricht zu bereichern, also um Kindern und Jugendlichen im Unterricht durch diese neuen Medien Inhalte zu vermitteln. Und immer auch mit so einem etwas bildungskonservativen Blick darauf, diese Medien sollen nicht nur Unterhaltung verbreiten, sondern vor allem auch Bildung sein, hat man sich also überlegt: Wir konzipieren jetzt Programme, die dezidiert für den Einsatz im Schulunterricht und an die Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen, das waren vor allem so die 11- bis 14-Jährigen, gedacht sind. Und das ist dieser Schulfunk und später eben dann das Schulfernsehen geworden, also Programme, die in Kooperation zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder dem Vorgänger davon – in Österreich war das die RAVAG, heute der ORF. In Deutschland gab es unterschiedliche Sendestationen, die das gemacht haben, zusammen mit den jeweiligen Bildungseinrichtungen, nationalen Bildungseinrichtungen, also Bildungsministerium, aber auch Lehrer*innenschaften hat man dann Programme konzipiert, um zu sagen: Die vermitteln wir jetzt im Unterricht. Und dann ging das quasi von den Köpfen von Leuten, die gedacht haben, es gibt da ein neues Medium, wir möchten das als Bildungsmedium nutzen, in die Köpfe der Schüler und Schülerinnen, und das war dann so. Die Idee, dass ich mir diese Geschichte ein bisschen anschaue, und das ist dann doch eine wesentlich längere Geschichte geworden, als ich mir vielleicht am Anfang gedacht habe, ja. Johanna Sebauer Man muss noch dazu sagen, du beschäftigst dich hauptsächlich mit dem Schulfunk und Schulfernsehen in Österreich, da wo du jetzt auch gerade bist, aber auch in Europa. Dein Hauptaugenmerk liegt auf Österreich, richtig? Maximilian Brockhaus Ja, genau. Also dadurch, dass ich auch hier in Wien am Institut für Zeitgeschichte bin, war eigentlich die Überlegung, ich schau aufs Schulfernsehen, weil gerade so die Jahre 60er, 70er, 80er Jahre vielleicht in der Zeitgeschichte dann manchmal übersehen werden. Bis ich dann drauf gekommen bin: Diese Geschichte zu erzählen, geht nicht, ohne auch auf den Schulfunk zu schauen und dadurch, dass ich in Wien bin, liegt der Fokus sicher auf Österreich, aber sobald ich angefangen habe, näher zu recherchieren, hat man schon gesehen, wie interessant so diese Verflechtungen eben dann auch ins Ausland gewesen sind, welche Rolle das Ausland bei der Konzeption der Programme, bei dieser Institutionalisierung des Rundfunks in Österreich gespielt hat, dass es mir auch ganz wichtig ist, dieses transnationale Element mitzunehmen, den Austausch zwischen Österreich und insbesondere Deutschland, aber auch der Blick in die großen Rundfunkländer USA und Großbritannien. Also ich hab Wien zwar im Mittelpunkt, aber es gehen so viele Stränge in verschiedene Richtungen raus und ich möchte das nicht so als national isoliertes Phänomen betrachten, weil ich glaube, das würde auch dem Rundfunk einfach nicht gerecht werden, der ja kein nationalisoliertes Phänomen oder keine national isolierte Technologie ist. Johanna Sebauer Da ist ja dann gleich eine weitere Verbindung zwischen deinem Thema und unserem Institut, oder? Ja, der Namensgeber unseres Instituts, Hans Bredow, der ja sehr maßgeblich daran beteiligt war, den Rundfunk in Deutschland zu etablieren. Da kommen wir vielleicht später noch mal im Detail dazu, jetzt gehen wir noch mal an die Anfänge zurück. 1924, hast du gesagt, ist in Österreich der Start des Radios, in Deutschland war es ein Jahr früher, 1923. Wann hat man denn damals das erste Mal die Idee gehabt, ach, wir könnten diese Technik für die Bildung einsetzen? Und wie ist das dann dazu gekommen, dass man gesagt hat, wir nutzen das im Klassenraum? Maximilian Brockhaus Ja, eigentlich ging das wirklich von Beginn an weg. Also 1924, hast Du schon gesagt, wurde, wurde die RAVAG gegründet, das ist also der Startschuss eines später flächendeckenden Rundfunkprogrammes in Österreich, das heißt auch dieses Jahr „100 Jahre Radio in Österreich“, ihr habt das Jubiläum in Deutschland schon letztes Jahr begangen. Und gleich da am Anfang hat sich für mich gezeigt, dass der Blick von den Gründern der RAVAG, und das insbesondere Oskar Czeija gewesen, der auch dann der erste Direktor der RAVAG gewesen ist, man hat ins Ausland geschaut, nach welchen ideologischen programmatischen Richtlinien man den Rundfunk jetzt aufstellen möchte und hat festgestellt, wenn wir nach Amerika schauen, und da gab es durchaus schon einen etablierteren Rundfunk, dient der dort vor allem der Unterhaltung und der Reklame, während das Deutsche Reich, und das ist ein Zitat von Oscar Czeija: „Die kulturelle Bedeutung des Rundspruchs richtig erfasst und denselben in erster Linie der Volksbildung Dienstbar gemacht hat“. Und hier wird also direkt dieser Bildungsaspekt an gesprochen. Und in diese Richtung wollte man auch gehen. Man hat also das Programm ganz am Anfang dreigeteilt in musikalische Sendungen, in literarische Sendungen, das sind dann oft Lesungen gewesen, weil man auch überhaupt mal.mit der neuen Technologie konfrontiert: was können wir eigentlich machen? Auf einmal haben wir die Möglichkeit, dass Leute was sprechen, natürlich, dann wird vorgelesen. Und schließlich aber populär-wissenschaftliche Sendungen, die bereits im November 1924, also Oktober war Startschuss der RAVAG und schon anderthalb Monate später kamen so populär-wissenschaftliche Versuchssendungen ins Programm: Es gab eine Vortragsserie für Radioamateure, wo es drum ging: Wie stelle ich mein Empfangsgerät richtig ein? Es wurde ganz früh angefangen mit Sprachsendungen, es wurden englische Sendungen ausgestrahlt, und ganz interessant fand ich auch in der Recherche, dass so ein großer Fokus am Anfang auf Sprachkurse in Esperanto gelegt wurde. Man dachte nämlich, so die Idee war, wir haben jetzt den Rundfunk, der kann in allen Ländern der Welt irgendwann mal empfangen werden, deswegen vielleicht versuchen wir doch eine gemeinsame universelle Radiosprache das Esperanto bietet sich doch an, ist dann in den Jahren immer weiter abgeflacht, also wir sprechen heute nicht alle Esperanto oder hören Radio auf Esperanto. Aber das sind so die ersten Sendungen gewesen, die dann auch diesen volkserzieherischen Aspekt eben gehabt haben. Wir möchten Bildung in das Programm reinbringen und. das dann später auch in den Schulen einzusetzen, war, glaube ich, einfach eine Konsequenz auch daraus. Und hat 1932 dann aber erst zu einem dezidierten Schulfunkprogramm geführt. Johanna Sebauer Wie haben die Programme ausgesehen für diesen Schulfunk? Maximilian Brockhaus Da ist auch wieder die Entwicklung von den Vorstellungen, die die verantwortlichen Personen gehabt haben, wie man das Ganze konzipieren soll, ganz, ganz interessant. Es ist glaube ich auch eine Konsequenz daraus gewesen, dass Österreich nach dem Ersten Weltkrieg so stark verkleinert wurde, dass man auch versucht hat, sich neu auf dieser großen Weltkarte zu positionieren. Und was hat man natürlich gehabt, um so eine eigene österreichische Identität auch ins Ausland zu strahlen, das war die Musik. Die österreichische Musik hat ganz stark am Anfang auch das Programm des Schulfunks, also einerseits des regulären Programms, später auch des Schulfunks, geprägt. Die erste Schulfunksendung, die ausgestrahlt wurde, war eine über Franz Schubert. Also da ging es dann drum, der große Künstler Franz Schubert wird in allen anderen Medien, und damals gab es schon Kino, aber vor allem auch in Romanen, so verrissen, dass wir jetzt den Schülern und Schülerinnen ein tatsächliches, natürliches Bild unseres großen Künstlers vermitteln wollen. Und Musik hat also einen sehr wichtigen Stellenwert am Anfang gehabt und dann hat man aber auch gemerkt, was gut funktioniert. Es war natürlich immer so ein Trial and Error. Was funktioniert gut, welches Feedback kriegen wir von den Lehrern, von den Lehrerinnen, wie reagieren die Schüler und Schülerinnen auch darauf. Das sind auch Dinge, die ich mir versuche in der Forschung anzuschauen, wobei es da recht schwierig ist, tatsächliche Quellen zu finden, was zurückgefeedbacked wurde. Sprachsendungen haben wohl gut funktioniert, weil Schüler und Schülerinnen das erste Mal tatsächlich einen Muttersprachler, eine Muttersprachlerin hören konnten, die auf Englisch gesprochen hat oder auf Französisch gesprochen hat, und das sind natürlich ganz neue Möglichkeiten gewesen, hat man jetzt nicht einen Lehrer oder eine Lehrerin gehabt, die im Klassenraum war und mit den Schülern sprechen konnte, dann war das davor einfach nicht möglich. Und so wurde das Programm dann auch immer so an die technischen Möglichkeiten, die man hatte, angepasst und es war sehr viel wirklich Experimentieren. Johanna Sebauer Es gab ja auch so eine Testphase. Was hat man da gemacht? Man musste ja auch erstmal die Schulen überhaupt ausstatten mit der Technik, wer hat das gemacht? Wie haben die Schulen plötzlich alle Radios bekommen? Woher? Waren das nur sehr privilegierte Schulen, die ein Radiogerät bekommen haben? Maximilian Brockhaus Das ist auch so ein Aspekt, auf den ich dann immer wieder in der Dissertation zurückkommen muss, weil meine Vorstellung davon auch nicht sein darf: „Auf einmal hatten alle Schulen Österreichs ein Radio“. Das war halt auch nicht so, dass überhaupt Sendemasten in der Gegend waren, mit denen man Empfang hatte oder auch überhaupt Rundfunk empfangen konnte, war natürlich überhaupt nicht gegeben. Also wenn man ganz in den Westen Österreichs schaut, nach Vorarlberg, gab es einfach bis in die späten 30er Jahre kaum den Empfang von österreichischen Programmen, weil einfach die Verbreitung der Sendewellen bis dahin noch nicht so stattgefunden hat. Als Vorgänger des regulären Schulfunkprogrammes, das im Oktober 1932 dann eingerichtet wurde, gab es zuerst ab 1928/29 schon den landwirtschaftlichen Schulfunk. Das war so, dass in Oberösterreich, in einem Bundesland in Österreich, quasi ein Versuchsprogramm gestartet wurde, wo vom dortigen Landeskulturrat in 182 Schulen, aber auch anderen öffentlichen Bereichen, Empfangsgeräte, Röhrenempfänger aufgestellt wurden, das heißt, das war dann auch die Frage, wo ist eigentlich elektrischer Strom vorhanden, wo brauchen wir batteriebetriebene Apparate zum Einsatz. Und über diese Apparate wurde dann landwirtschaftliche Informationen gesendet, das heißt, es wurden Landwirte und Landwirtinnen angesprochen. Da gab es Sendungen, ausgestrahlt immer donnerstags und samstags zwischen 14 und 15:00 Uhr, ab November 1929 zusätzlich auch vormittags. Die Sendungen hießen dann beispielsweise „Die Verwertung der Kartoffeln in der Landwirtschaft“ oder „Dänische Bauernwirtschaft mit Eindrücken aus Studienreisen“, „Das Getreidejahr 1920“. Johanna Sebauer Ah, wie toll. Maximilian Brockhaus Und Vortragende für diese Radioprogramme waren etwa Beamte des Landeskulturrats, Vertreter der Landwirtschaftskammern oder Experten und Expertinnen verschiedener Hochschulen. Und dann kann man sich das wirklich so vorstellen, dass im Klassenraum ein Empfangsgerät stand. Oft noch private Geräte von den Lehrern und Lehrerinnen, die die mitgenommen haben, bei dieser Ausstattung. Es gab noch keine ausreichende Subventionierung und Finanzierung, um tatsächlich alle Schulen in Österreich damit auszustatten. Und dann wurden natürlich verschiedene Möglichkeiten erprobt. Machen wir einen normalen Vortrag im Radio, dann diskutieren wir drüber, welche Rolle hat eigentlich die Lehrperson in diesem Vermittlungsprozess, und das sind so die ersten Versuche gewesen, durch die man später, eben 4 Jahre später, 1932, dann den Schulfunk auch didaktisch konzipieren konnte, um den Schülern und Schülerinnen einen möglichst guten Unterricht auch zu ermöglichen. Zur Rezeption, um sich das vielleicht auch ein bisschen vorstellen zu können, es gab in Oberösterreich zu dem Zeitpunkt 6000 Schüler und Schülerinnen an landwirtschaftlichen Schulen, und davon haben laut Zahlen der RAVAG zweimal wöchentlich mehr als 4000 Personen an diesen Kursen teilgenommen, also wenn die Zielgruppe, die man erreichen wollte, ist dann doch durchaus auch erreicht worden. Das sind jetzt natürlich Zahlen der RAVAG, die sich natürlich auch ein bisschen damit gerühmt hat, dass man dieses neue Programm ausprobiert. Das sind aber so die Vorbereitungen gewesen für das, was vielleicht später, also nicht vielleicht, sondern für das, was später gekommen ist, ja. Johanna Sebauer Und dieser Landwirtschaftliche Rundfunk, der hat sich gerichtet tatsächlich an Landwirte, die in der Region gelebt haben, und die sind dann in so Abendschulen gekommen und haben dann sich zusammengefunden zum gemeinsamen Hören. Maximilian Brockhaus Genau, zu dem Zeitpunkt gab es ja noch nicht die Möglichkeit, diese Sendungen aufzuzeichnen. Das heißt, man musste tatsächlich eben, wenn das Programm am Vormittag ausgestrahlt wurde, von 10 bis 12, dann musste um 10 bis 12 auch dieser mussten alle Personen im Raum sitzen, wo die Sendung ausgestrahlt wurde, beziehungsweise am Nachmittag 14 bis 15:00 Uhr, dann alle im gleichen Raum und wenn es Empfangsschwierigkeiten gab, dann konnte man das Programm halt auch nicht nachhören. Hat sich aber vor allem an Landwirte und Landwirtinnen gerichtet, auch mit dem Hintergedanken der RAVAG – und das ist später auch ein großer Faktor gewesen durch diesen landwirtschaftlichen Rundfunk –, dass man neue Rundfunkhörerinnen erschließen möchte. Natürlich wurden da noch immer wieder, wenn man schon mal Rundfunk gehört hat, vielleicht springt man dann auf diesen Zug des Mediums auf und sagt, „wie spannend und wie toll, ich krieg auf einmal was zu hören und ich möchte selber Rundfunkhörer werden“, was für die RAVAG natürlich bedeutete „potenzielle Personen, die dann auch eine Rundfunkgebühr zahlen werden und uns natürlich auch Geld in die Kasse spielen.“ Also es war so ein Gedanke von „Natürlich haben wir pädagogisches Interesse und versuchen, das als Experiment für unser späteren Schulfunk, für unser späteres Schulfunkprogramm zu sehen. Aber wir erschließen auch eine neue Zielgruppe und potenzielle Konsumenten und Konsumentinnen, die dann auch Gebühren zahlen.“ Also es war ein. nicht rein bildungsgeprägter Gedanke dahinter. Johanna Sebauer Der Schulfunk ist dann 1932, beschreibst du in deinem ersten Diss-Kapitel, das ich schon lesen durfte, gestartet, auch mit einer Testphase. Was mich interessiert, ist, wie war eigentlich die Reaktion, weiß man das, wie war eigentlich die Reaktion von den Lehrerinnen und Lehrern damals? Ich könnte mir vorstellen, dass es da auch welche gab, die gesagt haben, nee Moment mal, ich bin der Lehrer, da kommt mir keine so Metallbox darein, die mich ersetzt. Maximilian Brockhaus Ja. Ja, das ist auch eine der der Dimensionen, die mich so interessiert, das herauszufinden, weil ich finde, es wäre auch total, es würde zu kurz kommen, das zu hinterfragen, wenn ich mir nicht vorstelle, als Lehrer oder Lehrerin in diesem Klassenraum zu stehen. Und auf einmal kommt so ein neues Lehrmittel unter in den Unterricht. Was hat man bis zu dem Zeitpunkt gehabt? Schulbücher und ab und zu vielleicht mal einen Lehrfilm, der gezeigt werden konnte, wenn man ins Kino gegangen ist, oder? Aber durch den Schulfunk kommt also ein neues Lehrmittel eben dieser, dieses Rundfunk-Empfangsgerät, plötzlich ins Klassenzimmer, das nicht zuletzt natürlich Einfluss hat auf das Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schülerinnen. Und das hat durchaus auch Kritik aufgeworfen. Es wurde dieser mögliche disruptive Charakter das Radios als Gefahr für das – und da gibt es ein Zitat von einer Lehrkraft, die einen Leserbrief an die Programmzeitschrift der RAVAG geschrieben hat, „als Gefahr für das“ und sie sagt „innige und geistige Verhältnis zwischen Klasse und Lehrkraft eintreten könnte.“ Das heißt, die Person stellt die Frage, wirken Schulfunksendungen nicht lediglich schulfremd und störend und einmischend. Und das ist für mich eine ganz interessante Quelle, weil darauf dann der damalige ein Vertreter des Bundesministeriums für Unterricht, Ludwig Batista hieß der, geantwortet hat, „dass es nur dann der Fall“, sagt er, „wenn man mit dem Schulfunk das Ziel verfolgt, die Absicht verfolgt, den Unterricht oder die Lehrkraft ganz oder teilweise ersetzen zu wollen. Das ist aber nicht das Ziel, was sich die RAVAG setzt, sondern der Schulfunk dürfe nur da zum Einsatz kommen“, sagt dieser Vertreter des Unterrichtsministeriums, „wo die Darstellungsmittel der Schule nicht ausreichen“. Schulfunksendungen sollen eine innere Verbindung mit dem Schulunterricht eingehen, fristgerecht verlautbart in dieser Programmzeitschrift, die ich gerade schon erwähnt habe, damit sich die Lehrer und Lehrerinnen auch Gedanken darüber machen können, wie ich das in meinen Unterricht integriere. Welche Sendung wird eigentlich ausgestrahlt, wie passt das in mein Curriculum rein, und diese Praxis des Hörens im Unterricht muss gelernt werden. Deswegen gab es auch diesen sechsmonatigen Versuchsprozess, also ab Anfang 1932 wurde dann noch mal ein halbjähriges Versuchsprogramm gestartet, bevor der reguläre Schulfunk dann auch eingeführt wurde. Aber das ist definitiv was, was immer mitschwingt, und es waren nicht alle von Anfang an megabegeistert darüber, dass auf einmal so ein neues Gerät vielleicht auch im Klassenraum steht, und über die Rolle des Lehrers, der Lehrerin in diesem Vermittlungsprozess gab es durchaus Diskussionen. Johanna Sebauer Das finde ich insofern interessant, als dass wir ja gerade sehr viel über KI diskutieren, also KI in Bildungseinrichtungen, und da nehme ich sehr, sehr viel Skepsis wahr. Ich weiß nicht, wie du das wahrnimmst, aber vor allem, was Prüfungssituationen oder Prüfungsmodalitäten betrifft. Dass dann Schulen und Universitäten sich überlegen müssen, „okay wie können wir die Schüler jetzt benoten, wenn sie für Klassenarbeiten und Uniarbeiten einfach KI einsetzen“. Finde ich irgendwie ganz interessant, weil, als ich so deine Diss-Kapitel gelesen hab, hatte ich den Eindruck, dass die Leute mehr als bisher begeistert waren am Anfang, weil sie über die Technik des Radios im Schuleinsatz nachgedacht haben und dass man sich da sehr viel davon erhofft hat, also dass es den Unterricht erweitert, dass man auch den Schülern die Welt zugänglich machen kann auf einer ganz neuen Ebene, die vorher noch nicht da war. Zum Beispiel mit Fremdsprachensendungen und so weiter und jetzt bei der KI, ich weiß nicht, ob das jetzt nur mein Eindruck ist, weil ich ja, ich war ja selber nicht dabei, ich les ja nur das, was du geschrieben hast, aber jetzt hab ich so das Gefühl, es ist eher so ein Ablehnhaltung da, gegenüber KI. Maximilian Brockhaus Ja, ich find das auch spannend und seh das auch überhaupt nicht unabhängig voneinander diese Entwicklungen damals, also die Einführung eines neuen Mediums und dann die Auswirkungen, die das auch im Bildungsprozess hat beziehungsweise auch die Auswirkungen dieses neuen Mediums gerade auf Kinder und Jugendliche. Ich glaube, dass es grundsätzlich, und das sehe ich schon so, als Kontinuität zwischen bei der bei der Einführung verschiedener Medien, das sehe ich auf jeden Fall beim Schulfunk beziehungsweise dem Radio, dem Fernsehen später, aber ich knüpf da definitiv auch an das an, was du gerade gesagt hast, dass so die die Grundhaltung am Anfang gerade von Seiten der Personen, die tatsächlich damit im Unterricht arbeiten, vielleicht ein möglicherweise konservativer ist, weil man auch einfach, glaube ich, noch nicht weiß, wie man dieses Medium am besten integriert Und deswegen wird auch von der RAVAG, aber auch vom Unterrichtsministerium in den 20er, 30er Jahren später auch beim Fernsehen in den 50er, 60er Jahren appelliert: „Geht kreativ damit um, aber vorsichtig“, so auf die Art und Weise. Also, wir müssen selber ja erst lernen, dass bedeutet ja nicht nur diese Technologie hätte nicht nur Einzug in den Bildungskontext, sondern diese Wechselwirkung zwischen Medien und Gesellschaft und Gesellschaft und Medien ist ja eine wesentlich größere. Es gibt ja auf einmal eine vollkommen neue Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren, und genauso jetzt heute im digitalen Zeitalter. Diese synthetischen, synthetisch generierten Textdaten beispielsweise der KI. Wie gehe ich eigentlich damit um? Ich glaube, dass da die Haltung am Anfang oft ein bisschen ist, wie machen wir das eigentlich und was kann man damit machen? Das sehe ich definitiv auch so als Entwicklungslinien zwischen dem Thema, was ich jetzt gerade anschaue, und da spring ich dann doch von 1924 bis in die 90er Jahre, dass diese vielleicht am Anfang etwas ablehnende Haltung da ist, verstehe ich aber auch irgendwie, weil man sich selber erstmal damit konfrontieren muss, dass wir plötzlich einen ganz neuen Akteur auf dem Markt haben, der unser gesamtes Leben vielleicht auf eine Art und Weise verändern könnte, und diese Angst oder diese Gefahr davor, dass ich selber noch nicht weiß, wie ich das in mein Leben integrieren kann, wie ich das im Bildungskontext integriert kann, finde ich aber ganz interessant im Hinterkopf zu behalten, während ich das schreibe. Und dann ist der Schulfunk 1924 oder 1932 oder das Schulfernsehen 1959 vielleicht gar nicht so weit davon entfernt von den Diskussionen und Fragen, die wir uns heute stellen und diese Diskussionslinien zu verknüpfen finde ich eigentlich recht wertvoll und auch in der eigenen Forschung sehr spannend, ja. Johanna Sebauer Springen wir noch mal zurück in die 30er Jahre Anfang des Schulfunks. Wie hat das denn jetzt wirklich konkret ausgesehen? Ich kann mir das noch nicht so ganz vorstellen, es gab ein Programmheft, wo die die Schulfunksendungen angekündigt wurden, und in den Schulen musste man sich ja dann immer darauf vorbereiten und wissen: Okay, am Dienstag um 11:00 Uhr kommt eine Sendung zu, also irgendeinem geografischen Thema, und alle Schulen des Landes mussten dann gleichzeitig das hören. Maximilian Brockhaus Ja genau, außer dass sie es nicht mussten. Es war nicht festgeschrieben, also das ist auch ganz interessant, weil es zu diesem Zeitpunkt, wenn wir über die 30er Jahre sprechen, ganz unterschiedliche Modelle des Schulfunks gegeben hat. In Großbritannien zum Beispiel ist es genauso, wie du gerade beschrieben hast. Da gab es Schulfunkprogramme, die ganz konkret in die Lehrpläne der Lehrer und Lehrerinnen integriert gewesen sind. Das heißt, da war es dann auch so, das war viel systematischer, das zog sich über ein gesamtes Semester. Und die Schulfunksendungen sollten auch verpflichtend im Unterricht eingesetzt werden. In Österreich und auch in Deutschland war es so, dass die letztendliche Entscheidung, ob ich eine Schulfunksendung zeige oder nicht, in der Hand des Lehrers oder der Lehrerin gewesen ist. Das heißt, die Person, der/die Lehrkraft konnte sich eben meist zwei, manchmal auch vier Wochen im Vorhinein schon im Programmheft darüber informieren. Welche Sendung wird gezeigt? Das ist natürlich oft auch an sowas geknüpft gewesen wie ein Jubiläum, irgendein großer Künstler, Künstlerin hat feiert irgendeinen Geburtstag, oder es sind oft Sendungen mit so erlebnishaftem Charakter gewesen, wie zum Beispiel „wir reisen nach Japan“ oder, ja, also Geographie- und Erdkunde-Sendungen waren am Anfang auch recht präsent und die Lehrkraft konnte sich dann entscheiden, zeige ich das? Wenn sie sich dazu entschieden hat, musste diese technische Seite geklärt werden, ist meine Schule ausgestattet mit einem Empfangsgerät, es gab dann auch – find ich auch immer ganz lustig in dieser Programmzeitschrift – Werbungen für so Schulfunk-Empfangsgeräte. Das ging dann von: im Direktionszimmer hängt eine Zentrale, ein zentrales Schulfunk-Empfangsgerät, das verbunden ist mit den Klassenzimmern, wo der Direktor/die Direktorin zuschalten kann, welches Klassenzimmer gerade den Schulfunk empfängt. Es gab aber auch in anderen Schulen dezidierte Schulfunk-Klassenzimmer, in denen halt ein Empfangsgerät stand. Und dann war es genauso, wie du gesagt hast, wenn wir wissen, wir möchten uns am Dienstag von 10 bis 11:00 Uhr die Sendung „Wir reisen nach Japan“ anschauen, dann muss die Klasse, die sich diese Sendung anhört, mit dem Lehrer, der Lehrerin vor einem Empfangsgerät positionieren. Und dann ist natürlich auch die Frage gewesen, wie laut ist das Empfangsgerät? Hören das alle, was machen die Schüler und Schülerinnen eigentlich währenddessen? Es sind auch Fragen, die ich immer wieder in der Programmzeitschrift finde: Sollen die Kinder die genannten Orte auf einer Karte gezeigt bekommen, sollen sie selbst im Atlas mitschauen? Und dann wird immer wieder dieser erlebnishafte Charakter betont. Am besten zeichnen die Sendungen ein so lebhaftes akustisches Bild, dass die Kinder sich das mit geschlossenen Augen selber vorstellen können. Johanna Sebauer Das klingt ganz lustig, irgendwie. Ich kann mir vorstellen, dass das bei den Schülerinnen und Schülern sehr gut angekommen. Weiß man da was drüber? Maximilian Brockhaus Das ist so ein bisschen noch eine Lehrstelle, die ich definitiv sehe. Also Rezeption von den Schülern und Schülerinnen. Ich bin bis jetzt auf einzelne Leser- oder Schüler*innen-Feedbacks gestoßen, die dann halt auch in der „Radio Wien“, der Programmzeitschrift, publiziert wurden. Und das ist natürlich auch mehr mit Vorsicht zu genießen, weil natürlich, wenn überhaupt was in der Radio Wien, der offiziellen Programmzeitschrift der RAVAG, publiziert wird, dann natürlich was, was die RAVAG auch in ein gutes Licht rückt. Also da sind jetzt keine Sachen drinnen, die irgendwie kritisch darüber berichten, und da bin ich definitiv noch auf der Suche, weil ich glaube, ich selber nicht dieser Illusion verfallen möchte. Dass damals .. Johanna Sebauer Na klar. Maximilian Brockhaus „1924 kam das Radio und plötzlich haben alle Radio gehört und alle Schüler und Schülerinnen fanden das super cool und wir haben die super Bildungsrevolution“, und da muss ich, glaube ich, kleiner denken und auch sehen, wie viele Leute haben das eigentlich gehört. Um dann auch wirklich in die Tiefe zu gehen. Wie ist das eigentlich wahrgenommen worden, aufgenommen worden? Und das ist auch so n ganz wichtiger, wichtiger Punkt, den ich da, glaub ich, nicht vernachlässigen darf oder selber nicht in die Falle tappen darf, dass das die absolute Bildungsrevolution gewesen ist, sondern da auch kleine Brötchen backen und schauen, dass ich mich da wirklich ans Quellenmaterial auch halte. Johanna Sebauer Was ja auch hochspannend ist in dieser Frage ist, dass die Anfänge des Radios fallen ja in einer historisch sehr, ja, spannungsgeladene Zeit, also in Deutschland steht man kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, in Österreich sind die 30er Jahre auch geprägt vom Austrofaschismus, also der Herrschaft von Engelbert Dollfuß, eine autoritäre Herrschaft, ständestaatlich geprägt, der Engelbert Dollfuß hat sich auch einiges abgeschaut vom faschistischen Italien, das waren also die 30er Jahre bis zu 1938, dem Anschluss. Und da fällt jetzt rein die Verbreitung des Radios als Medientechnik und die Verbreitung des Schulfunks. Wie hat man da diese Technik auch genutzt, um politische Ideen zu verbreiten, auch in der Schule? Maximilian Brockhaus Also ich hab ja am Anfang gesagt, dass zunächst diese Programmteilung oder die Konzeption des Programms der RAVAG in drei Teilen stattgefunden hat. Musik, Literatur und populärwissenschaftliches Programm je weiter fortgeschritten auch die technischen Möglichkeiten waren, desto mehr wurde der Rundfunk auch zu einem politischen Medium. Das heißt, man hatte plötzlich die Möglichkeit, mit einem mobilen Mikrofon an Orte zu reisen und dort Live-Berichterstattungen zu machen, was natürlich dazu geführt hat, dieser Begriff Berichterstattung, den hat es davor so auf die Art und Weise auch noch nicht gegeben. Das Radio der Rundfunk ist zu einem immer stärker politischen. Berichterstatter dann auch geworden und gerade genau das, was du erzählt hast. Diese Instrumentalisierung des Rundfunks durch die Politik hat man einerseits in Deutschland sehr stark gesehen, aber das hat sich in Österreich auch sehr stark niedergeschlagen. Ich merke, dass je weiter ich in meinem Schreiben chronologisch fortgeschritten bin, desto mehr macht sich diese Wechselwirkung zwischen den politischen Verhältnissen in Europa, aber auch auf nationaler Ebene im Rundfunk bemerkbar. Es gibt da ein Zitat, was ich ganz interessant finde, wieder von diesem Ludwig Battista, der Vertreter vom Bundesministerium für Unterricht damals, der hervorgehoben hat, dass dem österreichischen Schulfunk, und das ist ein Zitat aus 1933 „in Zukunft eine deutlich „österreichische Note“ verpasst werden müsse. „Sendungen müssen vornehmlich in dem vaterländischen Kulturgut wurzeln, mitzuarbeiten an den Darbietungen des Schulfunks haben in erster Linie österreichische Menschen“ also eine sehr stark christlich konservative Heimatpflege im Rundfunk, getragen von der Vaterländischen Front. Das ist also die Partei, die auch durch Engelbert Dollfuß ab 1934 den diktatorisch regierenden Kanzler gestellt hat, wurde zu einem zentralen Bestandteil der RAVAG-Anstrengung. Und auch bestimmte Biografien, die ich in meiner Forschung erkenne, dass es einerseits der Direktor der RAVAG, Oskar Czeija, von dem ich schon am Anfang gesprochen habe, aber auch der Leiter des Schulfunkprogrammes, Rudolf Henz, auch eine ganz spannende Person, sind starke Befürworter und auch Begleiter dieses austrofaschistischen Regimes. Und das programm der RAVAG stellt sich ganz klar in den Dienst der Partei, un das schlägt sich natürlich auch auf den Rundfunk nieder. Was sich dadurch zeigt, dass diese Rudolf Henz, Leiter des Schulfunks, meinte einmal, es muss die Pflege des österreichischen Geistes durch musikalische Sendungen hervorgehoben werden. Es gab wesentlich mehr heimatkundliche Reportagen, auch im Schulfunk. Es gab Gedenksendungen, es gab das Spielen der österreichischen Bundeshymne nach Abschluss der Tagessendungen, es gab aber auch immer wieder Reden politischer Akteure und Akteurinnen, die – wobei Akteurinnen streich ich, es sind männliche Personen gewesen, die im Radio, im Rundfunk zu Wort kamen. Genau also, diese Entwicklung ist definitiv zu erkennen und schlägt sich so auch im Schulfunk nieder. Das heißt, das muss ich natürlich mitbetonen und möchte ich auch, weil die Entwicklung auch sehr, sehr spannend ist, ja. Johanna Sebauer Und 1938 wie ging es dann weiter? Also nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland? Maximilian Brockhaus Da wurde die RAVAG quasi aufgelöst und in die Reichsrundfunkgesellschaft eingegliedert und einfach vollständig, so wie alle anderen Institutionen, in den Apparat des Nationalsozialismus eingegliedert. Es gab auch zwischen 1938 und 1945 eine Art von Kontinuität im Schulfunk nicht mit den gleichen Personen, die in Österreich bis zu diesem Zeitpunkt Schulfunk gemacht haben, weil natürlich auch die Personen des Austauschs, 1934 bis 1938 im Nationalsozialismus nicht erwünscht gewesen sind. Es gab einen Hitlerfunk, das sind Sendungen gewesen für Kinder und Jugendliche. Es gab eigene Programme für den Bund Deutscher Mädel, da muss ich aber dazu sagen, dass ich hier auch durchaus Schwierigkeiten erkenne für meine eigene Forschung, weil ich 1938 bis 45 natürlich mit thematisiere, ich meinen Fokus aber nicht auf die Analyse von Sendungen im Nationalsozialismus für Kinder und Jugendliche lege. Johanna Sebauer Ja. Da könnte man 3000 eigene Dissertationen darüber schreiben. Wahrscheinlich. Maximilian Brockhaus Genau. Und ich glaube, es wurden zumindest auch schon 1000 davon geschrieben. Also, da ist auch der Forschungsstand wesentlich dichter als für die Zeit davor und danach. Ich nehm es mit auf in meine Dissertation, aber, wie du sagst, würde ich mich dem wirklich so ausführlich widmen, wäre das dann wieder eine eigene Dissertation. Johanna Sebauer Ich stell mir das generell sehr schwierig vor, für dich als Forscher, über ein Medium zu forschen, das ist ja eigentlich nicht mehr gibt. Denn den Schulfunk gibt es ja nicht mehr. Also, es gibt weder Schulfunk noch Schulfernsehen mehr. Und es gibt aber auch von diesen historischen Sendungen keine Aufzeichnungen, richtig? Maximilian Brockhaus Ab einem bestimmten Zeitpunkt, oder das ist auch so eine Entwicklung, die ich definitiv halt mit anschaue. Die ersten Aufzeichnungen, die es gibt, fangen dann irgendwann in den 30er Jahren an, wo auf Wachsplatten die Möglichkeit gewesen ist, dass man mitschneidet und im Nachhinein dann ausstrahlt. Aber das sind natürlich, wenn überhaupt, dann große Reden von Politikern gewesen. Aber für die Zeit 1924 bis 34, das ist gerade so das 1. Kapitel der Dissertation, was ich geschrieben habe, gibt es aus dem Schulfunk keine Aufzeichnungen, was natürlich sehr schade ist, weil ich arbeite medienhistorisch und kann mir das selber nicht anhören und bin so vollkommen abhängig davon, was ich in meinen Textquellen finde, ganz abgesehen davon, dass ich super neugierig wäre, wie sich das anhört oder angehört hat. Johanna Sebauer Ja, das wäre megaspannend. Maximilian Brockhaus Genau, das also fänd ich auch super spannend. Ich kann dann wenigstens, wenn ich in die Jahre des Schulfernsehens komme, gibt es durchaus Sendungen im Archiv des ORF, die ich mir anschauen kann fürs Schulfernsehen und mit der weiter fortschreitenden Möglichkeit der Aufzeichnung gibt es dann auch Möglichkeiten, mehr Schulfunksendungen anzuhören. Gerade für diese ersten Jahre ist es natürlich schwierig und für mich immer die Frage, welche Quellenlager habe ich eigentlich. Ich bin ganz krass davon abhängig, was ich wirklich in den schriftlichen Quellen finde, ja. Johanna Sebauer Wie hat sich das dann gewandelt? Vom Schulfunk zum Schulfernsehen, haben die beiden eine Zeit lang dann parallel existiert oder wurde der Schulfunk vom Schulfernsehen abgelöst? Maximilian Brockhaus Ja, das ist auch wieder so eine sehr schöne, sehr bezeichnend für die österreichische politische Geschichte, eine Entwicklung, die sich da abzeichnet. Nachdem man gemerkt hat, diese Technologie des Fernsehens, die nimmt immer mehr Fahrt auf, war die Frage, wie teilen wir uns dieses Programm eigentlich auf? In Österreich, 1945 zuerst unter alliierter Besatzung bis 1955, gab es dann eine Proporzregierung zwischen ÖVP und SPÖ, also der Christlich Sozialen Partei und der Sozialdemokratie, wo auch alle Institutionen von ganz oben bis ganz unten immer proportional aufgeteilt wurden zwischen den Parteien. Und die Christlichsozialen haben sich damals gedacht, nee, das Radio, das behalten wir uns, das ist schon etabliert, deswegen möchten wir auch die Kontrolle über den Schulfunk weiter behalten, das Unterrichtsministerium behalten. Das Fernsehen, das ist so ein neues, modisches Medium, dem trauen wir gar nicht so viel zu, deswegen wurde das quasi der Sozialdemokratie überlassen. Und deswegen gab es auch kaum Kooperation zwischen Schulfunk und Schulfernsehen. Das sind eigentlich zwei nebeneinander existierende Formate, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Was ich super spannend finde, weil man hat eben schon diese Erfahrungen. Man hat schon lange erprobte Sendungen und auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich über diese Sendungen Gedanken macht, aber man hat sich nicht zusammengetan, um darüber zu sprechen, wie man das zusammenbringen kann. Das heißt, der Schulfunk und das Schulfernsehen haben bis in die 90er Jahre parallel existiert. 1984 wurde dann der Schulfunk gänzlich aufgelöst und in ein Programm, was bis heute noch auf dem österreichischen Radiosender Österreich 1 existiert, umgewandelt in das Radiokolleg. Das heißt, da ist man dann quasi von diesem Kinder- und Jugendsendungen auf ein Programm der Erwachsenenbildung umgestiegen und hat damit die Schulfunksendungen gekappt. Das Schulfernsehen existierte noch bis 1993 und ist zum Schluss aber auch eine relativ schnell ausklingende Geschichte, die am Anfang so ein Hoch erfahren hat und dann nach und nach, aber auch vor dem Hintergrund der Entwicklung des Mediums zu einem immer stärker als Unterhaltungsmedium eingesetzten Format, hat das einfach abgenommen. Und diese parallele Existenz zwischen den beiden, das ist schon sehr interessant und da schaue ich auch definitiv in der Dissertation drauf, welche Zusammenarbeit oder eben nicht existierende Zusammenarbeit da stattgefunden hat, ja. Johanna Sebauer Das klingt so nach einem Überangebot an Bildung. Dann plötzlich, wenn es, wenn es dann ein eigenes Radioschulprogramm gab, dann gab es parallel dazu einen Schulfernsehprogramm und die Lehrer müssten da irgendwie eine Balance finden, mussten aber selbst auch noch normalen Unterricht gestalten. Es ist aber eine Zeit der ja, des Überangebots, würde ich sagen. Maximilian Brockhaus Ja, gerade so die 60er Jahre waren, aber auch europaweit, hat es so eine große Bildungsexpansion gegeben, dass man durch diese Medien die Möglichkeit hatte, an eine große Masse an Personen auch Bildung zu vermitteln. Und man wollte sich definitiv diesen neuen Technologien widmen und sich diese zunutze machen. Wie häufig die tatsächlich genutzt wurden, ist dann eine andere Frage, wie erfolgreich das bei den Schülern und Schülerinnen angekommen ist, ist auch wieder eine andere Frage, also nur weil die das ist genau diese Dynamik, die ich am Anfang schon angesprochen habe, die Vorstellung davon, wie etwas funktionieren kann und wie etwas funktionieren soll, ist in der Realität, wie es ankommt bei den Lehrerinnen und bei den Schülerinnen, oft eine ganz andere, und das ist, finde ich, ein ganz interessanter Prozess, weil der so von oben herab kommt. Diese Idee, neues Medium, Bildungserwartungen, wie beispielsweise beim Schulfernsehen ist dann, wir erziehen jetzt die Österreicher und Österreicherinnen mit europäischen Sendungen also ganz stark der Fokus, sich da europäisch zu positionieren durchs Schulfernsehen, das war so die Erwartungshaltung an das Medium. Aber wie hat sich die, hat sich das dann tatsächlich entwickelt, und wie hat sich dieser Einsatz im Klassenzimmer dann tatsächlich widergespiegelt und wurde wahrgenommen und aufgenommen? Und diesen Prozess nachzuverfolgen, ich glaube, das einer der Hauptaufgaben, die ich in der Dissertation mache. Johanna Sebauer Eine letzte Frage zum Schluss. Wir beide haben ja Schulfunk und Schulfernsehen nicht mehr in unserem Schulalltag erlebt, weil es irgendwann ein Ende gab. Warum hat man damit aufgehört? Maximilian Brockhaus Das ist eine gute Frage. Soweit bin ich auch in der Recherche noch nicht ganz. Wie du schon gemerkt hast oder wie wir jetzt heute viel drüber geredet haben, aktuell stecke ich noch ganz viel in den 30er Jahren, ich sehe nur in den Quellen, die ich schon gesammelt habe, immer ein paar Hinweise vielleicht darauf, ich glaube, was einfach einen großen Einfluss gehabt hat, ist, dass man die Konsumrealität der Menschen auch unterschätzt hat, dass man vielleicht gar nicht so interessiert gewesen ist an so einem altbackenen Bildungsprogramm, was da gezeigt wurde. Dass man auch gemerkt hat, dass der Einfluss beispielsweise populärer Sendungen, von Musiksendungen gerade aus den USA, diese Unterhaltungsaspekte der Medien eine ganz eigene Dynamik angenommen haben, und dass das Interesse an solchen Bildungssendungen bei den Schülern und Schülerinnen nicht sonderlich hoch gewesen ist. Man muss ja auch immer dazu denken, diese Sendungen wurden ja im Rundfunk im allgemeinen Rundfunkprogramm ausgestrahlt, das heißt, jeder und jede Person, die dann zwischen 10 und 11, Radio oder Fernsehen eingeschaltet hat, hat diese Sendung gesehen, was natürlich auch für den öffentlich rechtlichen Rundfunk immer die Frage nach sich gezogen hat, wie viele sehen das überhaupt, wie viele schauen das, wie viele hören das? Und wenn man gesehen hat, so groß ist das Interesse daran vielleicht gar nicht, hat das, glaube ich, auch einfach dazu geführt, dass man das in den Hintergrund gerückt hat und auch versucht hat, andere Formate zu bespielen. Also es gibt ja immer noch Bildungssendungen heute im Radio und im Fernsehen, die aber halt anders organisiert sind als diese Vorstellung „Wir haben ein Medium, wir bringen sie in den Klassenraum, wir machen Unterricht damit“. Heute sind es halt vielleicht wirklich populärwissenschaftlichere Formate, leichter zugängliche Formate, Formate mit einem manchmal stärker unterhalterischen Aspekt dahinter. Was genau noch weitere Faktoren dafür sind, da bin ich selber schon ganz gespannt, was ein großer Aspekt wahrscheinlich auch sein wird, ist zum Schluss die Finanzierung. Wenn das nicht mehr vorhanden ist, dann kann auch kein Programm mehr gemacht werden, ja. Johanna Sebauer Da sind wir auch sehr gespannt. Da reden wir einfach noch mal, wenn du so weit bist. Max, vielen Dank für diesen tollen Ausflug in die Anfänge des Schulfernsehens und des Schulfunks. Ein historisches Medium, das es so heute nicht mehr gibt. Wir sind sehr gespannt, wo dich deine Forschung noch hinführt. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, heute mit mir zu sprechen. Wie kann man dir, wenn man sich mit dir vernetzen möchte, möchtest du das noch sagen, wie man sie dich findet? Bist du irgendwie auf Social Media unterwegs? Maximilian Brockhaus Auf Social Media eigentlich gar nicht, nein. Aber wenn es Interesse an dem Thema gibt und ich würde sehr gerne, ich spreche sehr gerne mit Personen darüber und lerne auch sehr gerne von Leuten, die vielleicht selber Schulfernsehen geschaut haben oder die sich auch an den Schulfunk noch erinnern können, gibt es auf jeden Fall immer die Möglichkeit, sich per Mail mit mir zu vernetzen. Also es gibt am Institut für Zeitgeschichte. Johanna Sebauer Die findet man ja auf Deinem Mitarbeiterprofil von der Uni Wien beziehungsweise auch bei uns ist es verlinkt auf der auf der Website. Maximilian Brockhaus Genauso ist es. Ich glaube bei euch auf dem Bredow-Institut stehe ich auch noch irgendwo im Archiv oder so und. Das sind, das ist eigentlich die beste Möglichkeit. Genau. Johanna Sebauer Also wer nach Max’ E-Mail sucht, der kann das auf unserer Seite tun: leibniz-hbi.de und sein Mitarbeiterprofil suchen, dort findet man auch sonst alles nur alle Neuigkeiten zu unserer aktuellen Forschung. Ansonsten kann man uns noch folgen auf LinkedIn und seit neuestem Threads. Wir probieren gerade, welche Social-Media-Accounts man noch so haben kann außer Twitter, das haben wir jetzt stillgelegt. Ja, ich bedanke mich fürs Zuhören. Und bis zum nächsten Mal. Tschüss. Maximilian Brockhaus Danke, Johanna! Ciao.